Grammatik: Richtung und Perspektive
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Wenn ein Bildwort ein körperliches Objekt darstellt, muß man 2 Dinge unterscheiden:
die räumliche Ausrichtung des realen Objekts und die subjektive Perspektive,
aus der ein Text-Betrachter das Objekt (oder eine ganze Szene) zu sehen glaubt.
Beide Dinge sind intuitiv vom Betrachter erfaßbar und benötigen eigentlich keine Theorie.
Doch diese vertieft das Verständnis. Und für Informationsauswertung durch Computer
sind Regeln unverzichtbar, da ein Computer weder die natürliche Ausrichtung
eines Objekts kennt noch die Perspektive eines Bildworts erkennen kann.
Perspektive einzelner Worte
Die Bildworte der Lautbildschrift stellen Dinge aus verschiedenen
Perspektiven dar, die von der Ausrichtung des realen Objekts abhängen:
Ausrichtung des realen Objekts | Perspektive des Bildworts | Beispiele |
senkrecht | Seitenansicht | |
waagrecht | Draufsicht | |
Ansicht von schräg oben | ||
keine Vorzugsrichtung | wahlfrei, die zur Darstellung optimale |
Ein Objekt wird in der Perspektive dargestellt, die möglichst
alle folgenden Forderungen erfüllt:
- Aus dieser Perspektive sieht ein Mensch das Objekt normalerweise
- Aus dieser Perspektive läßt sich das Objekt am besten darstellen
- In dieser Perspektive paßt das Objekt am besten in einen Bildsatz (s.u.)
Am häufigsten ist deshalb die senkrechte Perspektive. Sie ist zweckmäßig
bei Objekten, die eine senkrechte Symmetrieachse haben (aber nicht völlig flach sind).
Auch senkrechte Vorgänge wie regnen, fallen werden im senkrechtem Schnitt dargestellt.
Änderung der Ausrichtung durch ein Zusatzwort
Normalerweise stellt ein Bildwort auch im Satz ein Objekt immer
in derselben "natürlichen" Ausrichtung dar wie als einzelnes Wort.
Durch Vorsetzen von Verben wie liegen, schräg sein, quer liegen, verdreht sein,
auf dem Kopf / der Spitze stehen, wanken, kippen, umfallen, umwerfen,
rotieren, wirbeln etc. kann man klarmachen, daß das Objekt eine andere
Ausrichtung hat als normalerweise.
Strikt von der objektiven Ausrichtung (z.B. stehend) zu unterscheiden
ist die subjektive Perspektive, aus der der Betrachter ein Bildwort zu
sehen glaubt. Sie bleibt zwar, wenn möglich, auch im Bildsatz dieselbe.
Doch sie ändert sich meist in einem Satz mit Bildworten mit
verschiedenen Perspektiven, s.u.
Perspektive von Sätzen
Obige Bildsätze faßt man automatisch als Seitenansicht
(senkrechten Schnitt durch eine Szene) auf, aus folgenden
Gründen:
- Alle Bildworte haben eine senkrechte Perspektive
- Alle Bildworte einer Spalte können als "übereinander" interpretiert werden
Obige Bildsätze faßt man automatisch als Draufsicht von schräg oben auf, aus folgenden Gründen:
- Man hat eine Mischperspektive. Denn manche Bildworte sind in Seitenansicht dargestellt
(Schranke, Haus, Baum ...), manche in Draufsicht (Straße, Teich ...).
Den Widerspruch zwischen den verschiedenen Einzelperspektiven
löst der Betrachter auf, indem er sozusagen automatisch einen Standpunkt
oder Blickwinkel einnimmt, aus dem er jedes einzelne Bildwort aus einer annähernd
richtigen Perspektive sehen kann - eben die Ansicht von schräg oben.
Das heißt, die Perspektive einzelner Bildworte ändert sich:
Der Betrachter faßt jetzt die - eigentlich in Draufsicht gezeigte - Straße oder den Teich
als Ansicht von schräg oben auf, genauso wie das - eigentlich in Seitenansicht gezeigte - Haus und die Bäume.
(Es ändert sich nur die subjektive Perspektive, aber nicht die objektive
Ausrichtung der Objekte: Der Teich ist weiterhin flach, der Baum senkrecht)
- Bäume können nicht aufeinander oder übereinander stehen: Das Bild kann also
kein senkrechter Schnitt sein. Wenn die Bäume hintereinander liegen würden,
müßte (zumindest vor dem ersten Baum) das Wort "liegen" vorkommen.
Eine Schrägdraufsicht-Perspektive (3-dimensionale Ansicht) kann
man auch erzielen durch Verwendung von Zwischenraum:
Im Bild oben links sind der Baum in der 2. und 4. Spalte
durch das Wort "waagrechter Zwischenraum" (waagrechter Strich)
nach hinten verschoben. Deshalb wirkt das Bild wie eine
Schrägdraufsicht.
Die Zwischenraum-Striche wirken meist störend, belasten das
Bild optisch. Schönere Bilder sind möglich, wenn es einen
auch einen Spaltenanfangspartikel gibt, der Spalten etwas
hochgehoben beginnen läßt (Bilder oben Mitte und rechts).
siehe Artikel "Grammatik: der Bildsatz",
letzter Abschnitt "Erweiterungen"
Eine Schrägdraufsicht-Perspektive kann man auch suggerieren durch
Wortfolgen in einer Spalte wie "Mensch (Gesicht sichtbar) Mensch
(Gesicht unsichtbar, d.h. Kopf nur als Punkt dargestellt)" oder
"Baum Baumkrone (eines anderen Baumes)" oder die
Wortfolge "Haus Hausdach (eines anderen Hauses)".
Die letzten 2 Wortfolgen können aber auch einen senkrechten Schnitt
durch eine Szene darstellen, bei der die hinteren Objekte höher sind.
Obige Bildsätze faßt man automatisch als seitlich schräge
Perspektive auf (ansonsten als senkrechten Schnitt durch
eine Szene): Die relativ große Person ist im Vordergrund,
die anderen, relativ kleinen Objekte empfindet man als
viel weiter weg.
Eine solche seitlich schräge Perspektive kann auch bei einer
Folge von Bildsätzen auftreten: Z.B. kann man die ersten Bildsätze
dieses Artikels so interpretieren: Auf dem Boden stehen
Schale, Glas und Flasche; daneben steht ein Mensch; daneben
ein umzäuntes Haus; ganz im Hintergrund die Berge.
Natürlich könnten bei einer seitlich schrägen Perspektive
auch die relativ kleinen Dinge links im Bild stehen, die relativ
großen rechts. Doch umgekehrt ist es besser, denn:
- In der Natur erfaßt man ein Objekt im Vordergrund zuerst
- In der Lautbildschrift erfaßt man die linke Spalte zuerst,
weil man spaltenweise v.l.n.r. liest
- Um das optische Erfassen beim Lesen mit dem in der Natur zu
harmonisieren, sollte also der Vordergrund links im Satz stehen
(bei seitlich schräger Perspektive. Bei Ansicht von
schräg oben ist der Vordergrund unten im Bild)
Links oben ein Beispiel für eine seitlich schräge Perspektive,
bei welcher der Vordergrund aus mehr als einer Spalte besteht.
Daß starke Maßstabsunterschiede von Bildworten nicht immer eine
Perspektive suggerieren, zeigt das Bild rechts oben: Bildworte
mit großem und kleinem Maßstab sind so vermischt, daß sich
daraus keine verjüngende Perspektive ableiten läßt.
Der Kaktus ist hier Symbol für Gelände mit Kakteen, die
Kokospalme Symbol für die Küste mit tropischer Vegetation.
Perspektive von Sätzen: Zusammenfassung
Beim Bildsatz sind (ähnlich wie beim Bildwort) folgende Perspektiven möglich:
- senkrechter Schnitt (klar, aber auf Dauer zu steif)
- Draufsicht von schräg oben (lebendig, 3-dimensional,
nur hier können Bildworte verschiedene Perspektiven haben)
- direkte Draufsicht von oben (extrem selten)
- ohne räumliche Orientierung (ein Kreis oder eine Szene der Geometrie
kann Draufsicht oder Seitenansicht sein)
- perspektivlos (z.B. ist bei abstrakten, logischen oder mathematischen Aussagen
eine räumliche Vorstellung unnötig, wenn auch manchmal möglich und nützlich)
Wir betonen hier nochmals, daß man die Lautbildschrift sprechen kann,
ohne sich die Bildwörter im Geiste vorzustellen. (Man kann sie sogar
sprechen lernen, ohne zu wissen, daß die Worte, mit entsprechenden
Buchstaben geschrieben, Ideogramme ergeben).
Man muß nur, wie auch in anderen Sprachen, die räumliche Anordnung und Ausrichtung
der Dinge wiedergeben. (Bei einigen Dingen ohne feste
natürliche Ausrichtung, z.B. Hammer, Speer, muß man die im Bildwort dargestellte
Ausrichtung - Kopf unten oder oben - auswendig lernen (damit der geschriebene Bildsatz korrekt ist),
doch ist die zweckmäßigste Ausrichtung meist erratbar.
(Vergleichbar dem grammatikalischen Geschlecht in manchen Sprachen)
Die jeweilige Perspektive, ob z.B. Worte einer Spalte hinter- oder
übereinander stehen, kann man auch am gesprochenen Text erkennen:
In der Spalte "Baum Baum" z.B. gelten die Bäume als hintereinander
stehend, weil sie nicht übereinander stehen können. In der Spalte
"Baum Sonne" dagegen wird man die Sonne als über dem Baum interpretieren.
In der Schriftsprache kann man natürlich die Darstellung austüfteln,
um möglichst natürliche, schöne und übersichtliche Bildsätze zu erhalten.
Fragen der Perspektive werden auch hier berührt:
- Dreidimensionale Modelle von Bildsätzen
- Wortkombinationen: Mehrseiten-Ansichten
- 2 Dinge übereinander
- Bildschachtelung
Die Benutzung der hier beschriebenen Mechanismen ist frei Stand 22.6.2007