Molekül-Grammatik: Erweiterungen o -o- o
Das Problem
Im Hauptartikel haben wir das Prinzip der Molekül-Grammatik beschrieben. Die Einfach-Version reichte aus, um den Satz zu formulieren: "Ein Kind hört einen Vogel ein schönes Lied singen" :
Kind -hören- Vogel -singen- Lied -schön o -o- o -o- o -o
Die Einfach-Version der Molekül-Grammatik reicht aber nicht aus, um den Satz zu formulieren:
"Ein kleines Kind hört einen Vogel ein schönes Lied singen":
Kind -klein -hören- Vogel -singen- Lied -schön o -o -o- o -o- o -o
Obige Formulierung ist falsch: "hören" bezieht sich nach links formal auf "klein",
nicht mehr wie gewünscht auf "Kind". Denn nach unserer Definition bezieht sich jede
Bindung auf das unmittelbar benachbarte Wort in der entsprechenden Richtung.
Verbesserung der Molekülgrammatik:
Es ist also nötig, Mechanismen einzuführen, welche die Bildung komplexerer
Satzstrukturen ermöglichen. Wir diskutieren folgende Mechanismen:
- Sinn erfassen
- Prioritätsregeln für Bindungen
- Strukturpartikel
- Wortklassen
Sinn erfassen
Es ist eine urmenschliche und unverzichtbare Fähigkeit, den Sinn eines Satzes zu erfassen,
auch wenn er noch nicht ganz ausgesprochen wurde, unzureichend oder falsch formuliert ist
oder nur lückenhaft verstanden wurde (schlechte Aussprache, Störgeräusche,
schlechte Übertragungsqualität bei Telefon, Radio etc.)
Deshalb wird ein Hörer den zweiten Beispielsatz oben vermutlich richtig interpretieren,
auch wenn er grammatisch falsch ist. Doch aus 2 Gründen reicht das Mittel
"Satzsinn erfassen" nicht aus:
- Bei komplizierter Sinnstruktur (manchmal schon bei einfacher) gibt es oft
mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Der Sprecher bemerkt das vielleicht nicht,
wohl aber der Hörer, der zweifelt, was jetzt tatsächlich gemeint ist,
oder den Satz von vornherein falsch auffaßt.
- Wir wollen, daß die Wortbeziehungen im Satz rein formal erkenbar sind,
damit sie per Computer analysiert werden können.
Wir bauen die Molekülgrammatik deshalb rein formal weiter aus:
Prioritätsregeln für Bindungen
Wir definieren die Wortbindung neu:
Jede Wortbindung bezieht sich auf das nächste Wort
vom Typ o oder -o-
in der entsprechenden Richtung.
Statt "bezieht sich auf das nächste Wort vom Typ ..." könnte man auch definieren:
"bezieht sich auf die Wortgruppe, die am nächsten Wort vom Typ ...beginnt".
Jetzt ist auch der 2. Beispielsatz oben korrekt: 'hören' bezieht
sich nach links auf 'Kind', nicht mehr (ungewollt) auf 'klein'.
Nun läßt sich auch folgender Beispielsatz formulieren:
Vogel -klein -blau -zwei -singen- Lied o -o -o -o -o- o
Nach der geänderten Definition der Wortbeziehung beziehen sich
die 4 Worte 'blau', 'klein', 'zwei' und 'singen' nach links auf 'Vogel',
weil es das nächste linke Wort vom Typ o oder -o- ist. Nach rechts bezieht
sich 'singen' auf 'Lied': "Zwei kleine blaue Vögel singen ein Lied".
Wenn wir an obigen Satz noch die zwei Worte '-schön -munter'
anhängen, beziehen sich beide auf Lied:
"Zwei kleine blaue Vögel singen ein schönes munteres Lied".
Die geänderte Definition der Wortbeziehung erlaubt es uns, einen solchen
Satz ganz ohne Grammatikpartikel, aber syntaktisch eindeutig zu formulieren.
Wenn - wie im Beispiel oben - mehrere Worte vom Typ -o aufeinander folgen,
ist es sinnvoll, eine gewisse Reihenfolge einzuhalten:
-Form -Farbe -Sonstiges -Menge -Deuter (z.B. 'jener').
Auch auf ein Wort vom Typ -o- können ergänzende Worte vom Typ -o folgen (Adjektive, Zahlen, etc.):
Mensch -groß -hören- -plötzlich -zwei Vogel -klein o -o -o- -o -o o -o
Die Worte 'plötzlich' und 'zwei' beziehen sich auf 'hören' (nächstes linkes
Wort vom Typ -o- ), nicht auf 'Mensch':
"Ein Mensch hört plötzlich zweimal einen kleinen Vogel"
Fazit: Wie man sieht, lassen sich nach der Neudefinition der Wortbindung
auch komplexe Satzstrukturen leicht darstellen.
Das erste Satzbeispiel oben und die Satzbeispiele im Hauptartikel bleiben alle korrekt,
bis auf den Satz "Vogel -fliegen -schön". Hier bezieht sich,
gemäß der Neudefinition, 'schön' nicht mehr auf 'fliegen',
sondern auf 'Vogel'. Das banale Sätzchen "Ein Vogel fliegt schön"
läßt sich also nicht mehr grammatisch korrekt formulieren.
Aber formulierbar ist der Satz "Ein Mensch bewegt schnell den Arm":
"Mensch -bewegen- -schnell Arm"
Denn 'bewegen' ist vom Typ -o- aber 'fliegen' vom Typ -o ,
worauf sich keine Bindung beziehen kann.
Das zeigt, daß eine unsichtbare Molekülgrammatik in Reinkultur unmöglich ist.
Man benötigt einige Grammatikpartikel. Eine unsichtbare Molekülgrammatik mit
Partikeln zeigen wir in einem eigenen Artikel (geplant).
Die Prioritätsregel für Wortbindungen ist aber ein Mittel, Sätze
einfach und elegant zu formulieren, ohne Partikelflut.
Sie hat aber den Nachteil, daß man den Bindungstyp jedes Wortes kennen muß.
Dieser kann meist geraten werden (Baum: Typ o , schön: Typ -o , bewegen: Typ -o- ),
muß aber manchmal erlernt werden (ist singen vom Typ -o oder -o- ?).
Dieser Nachteil verschwindet, wenn der Bindungstyp jedes Wortes an der
Wortgestalt erkennbar ist:
Beispiel 1: Wortende zeigt Bindungstyp an:
...o = Typ o ...a = Typ -o ...i = Typ -o-
Beispiel 2: Vokal a am Wortanfang / Wortende zeigt Bindung nach links / rechts an:
z.B. haben ala, arisa Typ -o- , alo, ate, arisi Typ -o , lo, kilo, tomine Typ o
Optisch wäre es dann günstig, wenn der Laut a den Bindestrich - als Buchstaben hätte
Die Prioritätsregel ermöglicht komplexe Satzstrukturen. Aber auch diese
kann man grafisch übersichtlich darstellen durch
verschiedene Molekül-Darstellungen,
besonders die 2-dimensionale.
Strukturpartikel
Es gibt verschiedene Methoden, einen Satz mit Grammatikpartikeln zu strukturieren:
- Klammerung:
Mit 2 Klammern ( hier 'va' und 'ka' ) läßt sich jede gewohnte Satzstruktur darstellen. Beispiel:
Vogel va -fliegen -schön ka o ( -o -o )
Wie in der Mathematik werden Elemente in Klammern zuerst ausgewertet.
( Deshalb bezieht sich 'schön' jetzt auf 'fliegen', nicht auf 'Vogel').
Danach gilt jede Klammerung (Klammern + Inhalt) als einzelnes Wort. Sein Bindungstyp
wird bestimmt durch das 1. Wort in Klammern (nach links ragende Bindung?)
und das letzte Wort in Klammern (nach rechts ragende Bindung?).
Aus obiger Klammerung ragt eine
Bindung nach links, nämlich die Bindung von 'fliegen', die nicht innerhalb
des Blocks erledigt werden kann. Der ganze Klammerinhalt 'fliegen schön'
bezieht sich also auf 'Vogel', was man auch so darstellen könnte:
Vogel -(fliegen -schön)
Ein komplexeres Beispiel:
Mann va -steuern- Auto ka -sehen- Frau o ( -o- o ) -o- o
Ohne die Klammerung würde sich 'sehen' nach links auf Auto beziehen,
als dem nächsten linken Wort vom Typ 0 oder -o- .
Aber die ganze Klammer va-ka, aus der nach links die Bindung von 'steuern' ragt,
funktioniert wie einzelnes Wort vom Typ -o
Würde man nach 'Frau' die Worte '-steuern- Auto' anfügen, bräuchte man keine Klammern.
Im Sinne der Regelmäßigkeit und Modularität, um Unterkonstruktionen
gleich und austauschbar zu machen, wäre es aber denkbar,
diesen Teilsatz auch am Satzende in Klammern zu setzen.
Bewertung: Bei komplexen Satzstrukturen werden viele Klammern benötigt,
was den Satzbau unübersichtlich und holprig macht (Klammernhäufung).
Auch die Vereinfachungen, daß am Satzende keine schließende Klammer nötig ist
(Satzende muß an Pause und Satzmelodie erkannt werden), oder daß
1 schließende Klammer alle offenen Klammern beendet, helfen nur teilweise.
- Segmentierung:
Hierbei wird ein Satz durch eine Partikel (ggf. mehrfach verwendet)
in Abschnitte unterteilt, die zuerst ausgewertet werden. Obiges Beispiel
statt mit Klammern jetzt mit Trennpartikel 'a' :
Mann -steuern- Auto a -sehen- Frau o -o- o , -o- o
Die Wortbindung erfolgt zunächst innerhalb der einzelnen Abschnitte.
Die Bindung zwischen den Abschnitten hängt nur vom 1. Wort jedes Abschnitts ab.
Deshalb bezieht sich 'sehen', das 1. Wort des 2. Abschnitts, nach links auf 'Mann',
das 1. Wort des 1.Abschnitts.
Ähnlich würde in der Mathematik der Ausdruck (a + b) * (c + d)
mit Komma als Trennpartikel lauten: a + b , * , c + d
Segmentierung ist wichtig bei der
Lautbildschrift:
Jeder Text ist in Sätze (Bilder) unterteilt durch Satzanfangspartikel,
jeder Satz in Nebensätze (Spalten) durch Spaltenanfangspartikel.
Die Segmentierung dient dem Bildaufbau, aber auch zur Darstellung
abstrakt-logischer Beziehungen (Worte in Spalte gehören enger zusammen).
Bewertung: Im Beispiel werden nur halb so viele Partikel benötigt wie bei Klammerung.
Auch Segmentierung läßt sich mehrstufig durchführen, nach 2 Methoden:
- Vervielfachung derselben Partikel, trennt stärker als 1 Partikel
(wie bei Klammern).
(Symbolisch: , ,, , ).
Diese Methode ist aber sprachlich (Partikelhäufung)
und gedanklich meist zu komplex, wenn auch weniger als mehrstufige Klammerung.
- Verwendung einer speziellen Trennpartikel für jede Ebene (siehe Lautbildschrift).
(Symbolisch: , | , ).
Diese Methode ist eleganter und praktikabel, ermöglicht aber nur soviele Unterebenen
wie es Trennpartikel gibt. Das ist aber bei Sprache (im Ggs. zu mathematischen
Formeln im Computer) kein Problem, da ein Satz sonst eh zu kompliziert wird.
Man formuliert notfalls den Sachverhalt in mehreren Sätzen.
- Kernmarkierung:
Im Ggs. zur Segmentierung werden hier nicht die Grenzen von Teilsätzen markiert,
sondern ihre zentralen Worte vom Typ -o- . Man benutzt sozusagen Prädikatsmarkierer.
Hier sind mehrere Methoden möglich:
- Man markiert alle Worte Typ -o- , oder die der untersten oder obersten Stufe nicht
- Man vervielfacht die Markierungspartikel je nach Stufe, oder benutzt für jede Stufe eine eigene Partikel
Beispiel nat.Sprachen (europ.): Partizip, Verb (Mark. durch Wortendungen, nicht freie Partikel)
- Halbklammerung:
Dabei wird nur die öffnende Klammer explizit ausgedrückt. Die schließende
Klammer wird an einer bestimmten Satzstelle impliziert.
Da die eigentlichen Problemkinder die Worte des Typs -o- sind, reicht jede
Klammerung nur bis vor's nächste Wort dieses Typs (falls nicht vorhanden bis zum Satzende).
Beispiel:
Mann ve -steuern- Auto -sehen- Frau o ( -o- o ) -o- o
Die schließende Klammer wird impliziert vor -sehen- . Die Bindung des Klammerbereichs wird vom 1. Wort hinter der Klammer bestimmt: die linke Bindung von -steuern- ragt heraus und bindet die ganze Klammerung an 'Mann'. Der ganze Klammerbereich wirkt wie ein einzelnes Wort vom Typ -o
Mann ve -steuern- Auto ve -haben- Reifen -neu -sehen- Frau o ( -o- o ( -o- o -o ))
Die 1. Klammerung müßte eigentlich vor -haben- enden. Weil aber davor ve
steht, startet per Definition eine 2. Klammerung. Beide enden vor -sehen-
Halbklammerung gibt es in 'natürlichen' Sprachen bei einfachen oder geschachtelten
Relativsätzen : öffnende Klammer ist das Relativpronomen,
die schließende Klammer wird vor dem Prädikat impliziert.
Ähnlich würde in der Mathematik der Ausdruck (a + b) * (c + d)
mit Halbklammerung lauten: a (+ b * c (+ d
verbal: "a, zu dem b addiert wurde, wird multipliziert mit c, zu dem d addiert wurde"
Man könnte die öffnende Klammer auch vor das Bezugswort stellen: (a+b * (c+d,
doch ist die andere Lösung nicht schlecht: der Operator + wird als "zuerst auszuführen" markiert.
Bewertung: Halbklammerung kann nicht alle Vollklammer-Strukturen darstellen. Beispiel:
die Vollklammer-Struktur ... (o (-o- o) -o- o (-o- o)) ... wird mit Halbklammerung zu
... (o (-o- o -o- o (-o- o ... , wobei aber das 2. Wort vom Typ -o- beide Halbklammern beendet.
Halbklammerung ist aber kürzer (halb so viele Partikel wie Vollklammerung).
- Unterordnung eines Worts:
Vogel -fliegen vo -schön o -o x -o
Die Partikel vo bewirkt definitionsgemäß, daß sich das folgende Wort
auf das vorige Wort bezieht. Deshalb bezieht sich 'schön' jetzt auf
'fliegen', nicht auf 'Vogel'.
Der Mechanismus 'Unterordnung eines einzelnen Wortes' ist verzichtbar und kann
ersetzt werden durch die eben beschriebenen allgemeineren Mechanismen
der Klammerung (erstes Satzbeispiel dort) oder Segmentierung,
ist aber kürzer und eleganter als diese.
Letztere reichen jeweils aus, jede gewohnte Satzstruktur zu bilden,
vo ist nur ein Hilfsmittel zur kürzeren Formulierung. ?? zu Partikel-Artikel
s.Artikel über zu einfache, aber vollständige Mol.Grammatik
Worte mit Bedeutung und Strukturbildung
Statt spezielle Strukturpartikel zu verwenden, kann man auch sowieso benötigten Worten eine Strukturbildung zuweisen. (Das Wort hat dann sozusagen eine komplexen Bindungstyp). Beispiel: Man erzeugt einen Frage- oder Aufforderungs-Satz durch ein Grammatikwörtchen vor dem entsprechenden Aussagesatz. (Aussagesatz 'du gehen', Fragesatz 'ob du gehen', Aufforderungssatz 'soll du gehen'). 'ob' und 'soll' sind hier Partikel des (sonst nicht vorhandenen) Bindungstyps o- , die gleichzeitig eine Klammer um den Restsatz legen (oder den Satz an dieser Stelle in 2 Teile segmentieren), also:
ob du -gehen Klammerung: o- ( o -o ) Segmentierung: o- , o -o
Bewertung: Inhärente Klammerung ist partikelsparend und läßt somit
elegantere Formulierungen zu, die aber halt weniger systematisch sind.
Nur mit Kenntnis der grammatischen Besonderheiten kann man die Satzstruktur erkennen.
Diese bedeuten beim Erlernen einen Mehraufwand, beim Gebrauch aber eine Verkürzung.
Inhärente Klammerung gibt es in natürlichen Sprachen z.B. bei Konjunktionen.
?? besser Beispiel mit 'und'. Denn 'ob, soll' notfalls durch Satzteil ersetzbar
Wortklassen einführen
Die Worte 'grün' und 'schlafen' haben in der Molekülgrammatik beide den
Bindungstyp -o , sie unterscheiden sich rein formal überhaupt nicht.
In den 'natürlichen' Sprachen aber gehören sie zur Wortklasse 'Adjektiv'
bzw. 'Verb ohne Objekt', und diese 2 Wortklassen sind formal nicht
gleichwertig, sondern beeinflussen die Satzstruktur: z.B. kann ein
Verb das Prädikat bilden, ein Adjektiv allein nie.
Wir verzichten in der Molekülgrammatik auf solche Wortklassen, weil sie
die Grammatik unnötig verkomplizieren. Nur wenige spezielle Grammatikpartikel
haben eine Sonderfunktion (siehe unten).
- Klammerfreie Notation:
Diese auch als Polnische Notation bekannte Methode zur Strukturierung
mathematischer Formeln erwähnen wir nur der Vollständigkeit halber,
denn sie ist sprachlich unpraktikabel weil unübersichtlich.
Etwas ähnliches, wenn auch weniger konsequent, gibt es in manchen 'natürlichen'
Sprachen: der sogenannte inkorporierende Satzbau, bei dem durch Wort-Umstellung
die grammatische Struktur verdeutlicht wird. Stark benutz z.B. im Türkischen,
weniger im Deutschen (Er hat gegessen - Er sagt, daß er gegessen hat)
Weiterführende Artikel (z.T. geplant)
- Satzstruktur: verschiedene Molekül-Darstellungen
- Satzstruktur: phantasievolle Darstellungen
- Die einfachsten vollständigen Molekül-Grammatiken
- eine sichtbare Molekül-Grammatik
- eine unsichtbare Molekül-Grammatik
- Vergleich sichtbare - unsichtbare Molekül-Grammatik
Die Benutzung der hier beschriebenen Techniken ist frei Stand: 15.2.05
Autor und Erfinder: Leonhard Heinzmann Homepage