Die antike Standard - Lautbildschrift
So nennen wir die Version der Lautbildschrift,
die am meisten zum Eincodieren von Bildern in Texte verwendet wurde.
Vermutlich war sie in jedem Mysterienbund / Geheimbund bekannt.
Hier die Zeichentabelle:
Es handelt sich um eine 12-Buchstaben-Lautbildschrift, wie die im einführenden Artikel
gezeigte Einfachst-Lautbildschrift.
Die Zuordnung der Laute zu den Zeichen ist anders (Konsonantengruppen vertauscht),
bei den zischenden ist auch der Lautbestand anders
(h statt sch, denn Lateiner und Griechen kannten den Laut sch nicht).
Der Zeichensatz ist geringfügig anders und für die Darstellung von Gesichtern optimiert:
Die beiden Halbkreise sind jetzt in der Mitte unterbrochen, so daß sie Augenbrauen
oder Nase-Mund-Falten darstellen können (Bild unten, links). Der Punkt
kann einen gespitzten Mund darstellen oder einen Kopf, oder als Partikel
'über' dienen:
Auch diffuse runde Konturen wie bei Bäumen, der Sonne oder Feuer sind besser
darstellbar (Bild oben, Mitte), auch Wolken, Rauch und Bewegungen wie vibrieren und kreisen.
Doch insgesamt ist diese Version weniger praxistauglich:
Ein einzelner Punkt ist schlecht lesbar. Der breite Querstrich fehlt.
Halbkreise und Kreise sind nur schlecht darstellbar sind (Bild oben, ganz rechts)
und schlechter lesbar (weil zerrissener). Die lückigen Halbkreise sind handgeschrieben
leicht mit den lückigen breiten Winkelzeichen verwechselbar.
Beide Lautbildschrift-Versionen mit 12 Buchstaben reichen nicht aus,
alle Begriffe genügend deutlich darzustellen.
Mit dieser antiken Standard-Lautbildschrift codierte man keine echten Bildworte
oder gar ganze Bildsätze ein, sondern vom Autor selbst erfundene Gesichter
und Gestalten (es lassen sich ja Millionen Gesichter mit diesen wenigen Zeichen
darstellen - nur die wenigsten davon sind Bildworte mit definierter Bedeutung).
Und zwar hauptsächlich den Text illustrierende Gesichter.
Wie Bilder in Texte eincodiert wurden, zeigen die Artikel
In Texte eincodierte Bilder und
Plinius - sein eincodiertes Selbstportrait
und Bei Plinius eincodierte Bilder.
Die Schreibrichtung war waagrecht wie bei der Lateinschrift (Zeichen um 90 Grad gedreht),
und man suchte eincodierte Bilder, indem man die eincodierte Lautbildschrift von links und rechts betrachtete.
Aus all dem kann man vermuten, daß die meisten Mitglieder der Mysterienbünde zwar
obige Buchstaben und das Prinzip der Lautbildschrift kannten, aber die Sprache selbst,
Wortschatz und Grammatik, nicht beherrschten. Das war höheren Rangstufen vorbehalten.
Das deutet auch Platon in seinem 5. Brief an:
"Jede Staatsverfassung hat nämlich, wie es auch bei manchen Tieren der Fall ist,
ihre eigene Sprache, die Volksherrschaft eine andere, eine andere die Herrschaft
weniger und desgleichen auch die Alleinherrschaft. Sehr viele dürften sich wohl
dieser Sprache kundig zu sein anmaßen, sind aber mit Ausnahme einiger weniger weit
entfernt, sie zu verstehen."
[Rowohlt: Platon, Sämtliche Werke, Band 1, 1987]
Der erste Satz deutet ein hierarchisch abgestuftes Wissen um eine Sprache an. Ohne
Wissen um die Lautbildsprache, ihre verschiedenen Versionen und ihre Geheimhaltung
ist er unverständlich, ja unsinnig - keine öffentliche Verwaltung verwendet je nach Rang
oder Staatsform verschiedene Sprachen. Mit "Staat" ist hier der Komplex der Mysterienbünde
gemeint, vielleicht auch der von diesen Geheimbünden unterwanderte Staat.
Stand: 23. 8. 2007