Figuren-Rechnen - der Königsweg zur Mathematik
Kurzübersicht
Beim Figuren-Rechnen (Figurale Arithmetik, Figurierte Zahlen, Perlen-Arithmetik) werden Zahlen durch Perlen dargestellt.
Die Perlen sind in einer Reihe angeordnet oder in geometrischen Figuren wie Quadrat, Rechteck oder Dreieck.
Damit lassen sich nicht nur Zahlen, sondern auch Rechenverfahren und mathematische Sätze anschaulich machen.
Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rechenbrett (Abakus).
Figuren-Rechnen war schon den antiken Griechen bekannt, ist aber vermutlich älter:
Es ist vermutlich sowohl der historische Beginn der Zahlenkunde
als auch der didaktisch optimale Einstieg für Schüler - weil es spielerisch und anschaulich ist.
Zahlendarstellung
Eine Zahl wird durch eine Folge von entsprechend vielen Perlen dargestellt.
Das Ganze ist sehr anschaulich, wird aber, wie man bei der Zahl 8 sieht,
schnell unübersichtlich. Es ist also sinnvoll, Zahlen durch kleine Lücken
(hier nach je 4 Perlen) zu strukturieren, oder auf der Unterlage
(Brett mit Vertiefungen) Markierungen anzubringen.
Zählen, Zahlenvergleich
Der erste Zweck einer Zahl ist nicht das Rechnen, sondern das Zählen.
Das ist hier sehr einfach: man fügt jeweils 1 Perle hinzu.
Bei der üblichen Zahldarstellung ist das Zählen komplizierter,
weil die Darstellung u.U. sprunghaft wechselt, Beispiel 99 ... 100
Zweitens ist der Vergleich von 2 Zahlen wichtig: welche ist größer? Das ist hier
sehr einfach: die längere Zahl ist größer.
Bei der üblichen Zahldarstellung ist das bereits komplizierter:
Sind 2 Zahlen gleichlang (z.B. 122 und 132), so müssen sie "von oben her"
Ziffer für Ziffer verglichen werden, bis sie sich in einer Ziffer unterscheiden.
Addition
Die Addition geschieht einfach durch Aneinanderreihen der "Perlenketten".
(Im Prinzip reicht es aus, 2 ungeordnete Ansammlungen von Perlen zu vereinigen).
Das ist einfacher als das Additionsverfahren bei Stellenwertsystemen
wie z.B. dem Dezimalsystem.
Subtraktion
Bei der Subtraktion stellt man die "Perlenketten" rechtsbündig untereinander
und kürzt dann die obere um die Länge der unteren. Ist die untere Kette
(der Subtrahend) länger, so bildet der nach links ragende Rest ein
negatives Ergebnis.
Multiplikation
2 Zahlen werden multipliziert, indem man ein Rechteck mit den 2 Zahlen
als Seitenlängen bildet. Supereinfach! (So kann ein Urwaldbewohner
in 1 Minute multiplizieren lernen, sofern er überhaupt eine Ahnung
hat, was das ist). Anschließend kann man die Perlen aneinanderreihen,
wenn gewünscht.
Das heißt, jedes Element (hier Perle) der einen Zahl wird mit der gesamten anderen Zahl
multipliziert, dann die Ergebnisse zusammengefügt. - - Ganz ähnlich funktioniert auch der
übliche Multiplikationsalgorithmus: jede Ziffer der einen Zahl wird
mit der gesamten anderen Zahl multipliziert, dann die Ergebnisse addiert.
Und ähnlich erfolgt auch jede Teilmultiplikation "Zahl mal Ziffer":
jede Ziffer der Zahl wird mit der einzelnen Ziffer multipliziert, dann die Ergebnisse addiert.
(In beiden Fällen wird die linke Ziffer auch mit ihrem Stellenwert multipliziert,
was der Einfachkeit wegen statt durch angehängte Nullen durch bloße Positionsverschiebung angezeigt wird).
Division
Man dividiert eine Zahl a durch eine andere Zahl b, indem man mit
a Perlen ein Rechteck mit einer Seitenlänge = b legt. Die andere
Seitenlänge ist das Ergebnis der Division. Ggf. bleibt ein Rest.
Die Division ist die Umkehrung der Multiplikation, und dieses
Divisionsverfahren ist die Umkehrung des obigen Multiplikationsverfahrens.
(Bei Stellenwertsystemen unterscheiden sich beide Verfahren stärker,
und beide sind viel komplizierter!)
Eine anderes mögliches Divisionsverfahren, wenn die Zahlen a und b
als gerade Perlenketten vorliegen: man mißt die Zahl a mit b
als Maßstab (oder kürzt sie schrittweise um b), und legt für
jede abgemessene (oder weggeschnittene) Einheit b eine Perle
zur Ergebnis-Zahl. Das ist Division durch fortlaufende Subtraktion.
Primzahlen, Teilbarkeit
Eine Zahl ist genau dann eine Primzahl, wenn sie sich auf keine Art
als Rechteck mit Seitenlängen > 1 darstellen läßt. Beispiel oben: 5
Umgekehrt ausgedrückt: jede Nicht-Primzahl läßt sich als Rechteck darstellen!
Die Seitenlängen sind Teiler der Zahl, siehe Multiplikation.
Eine Zahl hat genau dann eine andere Zahl t als Teiler, wenn
sie sich als Rechteck mit mind. 1 Seite = t darstellen läßt.
An obiger Darstellung sieht man sofort, daß 4,6,8 den Teiler 2 haben,
6 und 9 den Teiler 3, 8 den Teiler 4.
Eine Zahl hat genau dann nur 2 Teiler, wenn sie sich nur auf 1 Art als Rechteck
darstellen läßt (abgesehen von Vertauschung Höhe / Breite).
Eine Zahl hat dann mind. 3 Teiler, wenn sie sich als Quader darstellen
läßt (Würfel statt Perlen benutzen, oder ein räumliches Gitter,
mehrere Ebenen übereinander, in die man Perlen einlegen kann). Beispiel: 30 = 2*3*5
Doch auch bei Zahlen mit 3 oder mehr Teilern kann man die Teilbarkeit
eben darstellen: z.B. läßt sich 30 durch 5 Rechtecke a 2*3 Punkte darstellen,
60 durch 3*5 Rechtecke a 2*2 Punkte.
Die Hierarchie der Rechtecke stellt man durch unterschiedliche Abstände
oder verschiedene Anzahl Trennlinien dar:
Siehe auch den Artikel über das Teilermosaik,
an dem man die Teiler einer Zahl erkennen kann.
Es dient auch als Rechenhilfe (Addition, Multiplikation et.)
Auch die mögliche Länge von Primzahlfolgen
läßt sich mit der Perlen-Arithmetik anschaulich erklären
Quadratzahlen, Quadratwurzel
Eine Zahl ist genau dann eine Quadratzahl, wenn sie sich als
Quadrat darstellen läßt (sowas). Beispiele oben: 4, 9
Mehr dazu im Artikel Quadratzahlen
Polygonalzahlen
Ohne Figuren-Rechnen gäbe es nicht den Begriff "Polygonalzahlen" (Dreieckzahlen, Quadratzahlen, usw.)
Figuren-Rechnen liefert auch die Summenformeln für das n-te Polygon eines Typs (Dreieck usw.)
Hierzu gibt es genügend Artikel im Internet.
Mathematische Sätze
Erste Binomische Formel: (a + b)2 = a2 + 2ab + b2
Das ganze Quadrat (Seitenlänge a + b) repräsentiert den Wert (a + b)2,
das Quadrat links unten den Wert a2, das Quadrat rechts oben
den Wert b2, jedes grüne Rechteck den Wert a*b, beide grünen Rechtecke zusammen also 2ab
Spezialfall 1 der ersten binomischen Formel:
(a + 1)2 = a2 + 2a + 1
Das große Gesamt-Quadrat stellt den Wert (a + 1)2 dar.
Es setzt sich zusammen aus a2 (blaues Quadrat),
2 mal a (grüne Linien) und 1 Eckpunkt rechts oben.
Man findet also zu einer Quadratzahl die nächsthöhere Quadratzahl,
indem man 2 Seitenlängen und 1 dazu addiert.
Spezialfall 2 der ersten binomischen Formel:
(a + 2)2 = a2 + 4a + 4
Das große Gesamt-Quadrat stellt den Wert (a + 2)2 dar.
Es setzt sich zusammen aus a2 (blaues Quadrat),
4 mal a (grüne Linien) und 4 Eckpunkte.
Man findet also zu einer Quadratzahl die übernächste Quadratzahl,
indem man 4 Seitenlängen und 4 dazu addiert.
Auch die 2. Binomische Formel (c - b)2 = c2 - 2bc + b2
und ihre Spezialfälle lassen sich aus obigen Figuren ablesen. Wobei c = Seitenlänge des Gesamtquadrats = a + b
und (c-b)2 = a2
Dritte Binomische Formel: (a + b) * (a - b) = a2 - b2
Bild links: Das ganze Quadrat repräsentiert den Wert a2,
das kleine grüne Quadrat den Wert b2, die
L-förmige blaue Figur deren Differenz, also a2 - b2.
Bild Mitte: Die L-Figur kann man zerlegen in 2 Teile,
die jeweils a-b dick sind.
Bild rechts: Aneinandergereiht ergeben diese 2 Teile den Wert (a-b)*(a+b),
der also gleich a2 - b2 sein muß.
Geschichte
Figuren-Rechnen war schon den antiken Griechen bekannt,
ist aber vermutlich älter.
Bewertung
Figuren-Rechnen macht viele mathematische Sätze anschaulich,
die sonst nur mühsam zu erkennen sind. Auch sind die Rechenverfahren
einfacher als bei den üblichen Zahlensystemen,
z.B. dem Dezimalsystem. Denn bei letzteren liegen die Zahlen in
komprimierter Darstellung vor, was die Rechenverfahren
komplizierter macht. Solche komprimierten
Darstellungen sind aber nötig, um große Zahlen (100, 1000, Million)
schneller oder überhaupt erst handhaben zu können.
Allerdings kann man auch große runde Zahlen durch Figuren-Rechnen
handhaben, indem man 1 Perle als Ersatz für jeweils 100 oder 1000 oder
mehr Perlen betrachtet. Hier könnte man andersfarbige Perlen
benutzen.
Natürlich kann man auch Zahlen in Stellenwertsystemen durch Perlen
darstellen und so rechnen, wie das mittelalterliche Rechenbrett
und der Abakus zeigen.
Quellen
Leider ist Figuren-Rechnen fast unbekannt - unverständlicherweise.
Es wird nur in sehr wenigen Büchern erwähnt.
In den erhaltenen Schriften antiker Mathematiker ist einiges davon zu finden.
Im Internet findet man mit dem Suchbegriff "Figurierte Zahlen" einige Artikel.
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Homepage Stand: 4. 9. 2015 Die Benutzung der hier beschriebenen Techniken ist frei