Musik: Melodien als Mosaik und Polygonzug
Kurzbeschreibung
Die bekannte Notenschrift ist ein praktisches, altbewährtes Hilfsmittel
zum Spielen von Musikstücken. Aber bei ihr ist es kaum möglich, das
Gesamtmuster einer Melodie auf einen Blick zu erfassen.
Wir stellen 2 Notenschriften vor, bei denen das möglich ist:
Melodie als Mosaik und Melodie als Polygonzug (Zickzacklinie).
Sie können auch als Gedächtnisstütze dienen (Ausnutzen des optischen
Gedächtnisses) sowie als Komponierhilfe (optisches Komponieren)
und als Inspiration für Textdichter.
Eine 3. Notenschrift, Lautbildschrift-Buchstaben als Noten,
ist hervorragend geeignet als Gedächtnisstütze und Textinspiration.
Melodie als Mosaik
Wir zeigen ein bekanntes Volkslied in üblicher Notenschrift:
Obwohl wir wesentliche Teile der Notenschrift weggelassen haben
(Notenstangen und -Fähnchen, Taktstriche nach je 3 Noten), ist die
Melodie nicht sehr übersichtlich. Denn die Notenabstände sind
waagrecht sehr groß, senkrecht sehr klein. Wir zeichnen nun die
Noten in ein quadratisches Gitter:
Man erkennt jetzt deutlich den Gesamtcharakter der Melodie
(besonders im verkleinerten Bild rechts): Sie ist relativ
lebendig und hat fast keine fallende Tonfolgen (von mehr als
2 Tönen), ist also eher Dur als Moll.
Man erkennt jetzt auch besser charakteristische Sequenzen wie:
den viermaligen Anstieg von je 3 Noten um je 1 Ton;
die 2 Folgen von 3 gleichen Tönen; die 4 Folgen von 2 gleichen Tönen.
Wir komprimieren obiges Noten-Mosaik, indem wir jeden
steigenden Ton in dieselbe Spalte zeichnen wie den vorigen:
(im folgenden Bild kommen also die unteren Töne jeder Spalte zuerst)
Man erkennt hier noch deutlicher, daß das Lied fast nur
gleichbleibende und steigende Tonfolgen (von mehr als 2 Tönen) hat.
Der Abschwung ist meist ein kurzer Fall, dem mehrere gleiche
oder steigende Töne folgen.
Es ist besser, steigende und fallende Tonfolgen zu komprimieren
(in nur je eine Spalte zeichnen). Man verwendet dann verschiedene
Farben, z.B. rot = steigend, blau = fallend
(Beispiele unten im Abschnitt Komponierhilfe).
Oder Kringel = steigend (erinnert an Luftblase), vollfarbige
Kugel = fallend (erinnert an massive Kugel).
Bei der Mosaikdarstellung wurde die waagrechte Schreibrichtung gewählt,
damit jemand, der die übliche Notenschrift kennt, nicht umzudenken braucht.
Man könnte sich aber fragen, ob nicht die senkrechte Schreibrichtung besser wäre.
Melodie als Polygonzug
Diese Methode, eine Melodie graphisch darzustellen, geht wie folgt:
(am besten kariertes Papier verwenden)
1) Man zeichnet einen kurzen Strich: Er symbolisiert den 1. Ton der Melodie.
2) Der 2. Ton der Melodie wird durch einen Strich dargestellt,
der an ein Ende des ersten Strichs angesetzt wird.
Der Tonunterschied zum vorigen Ton bestimmt den Winkel,
in dem der Strich angesetzt wird:
Pro Differenz von 1 Tonhöhe wird der Strich um 45 Grad gedreht.
Und zwar bei Tonerhöhung nach links, bei Tonsenkung nach rechts
(= unten, wenn der vorige Strich waagrecht ist).
3) Jeder weitere Ton wird durch einen weiteren Strich dargestellt,
der ans freie Ende des vorigen Striches angesetzt wird.
Die Melodie "Kommt ein Vogel geflogen ..." sieht dann so aus (Anfang unten):
Man erkennt: Ton 2 und Ton 3 sind um je 1 Ton höher sind als der vorige:
Denn Strich 2 und Strich 3 sind um je 45 Grad nach links gedreht.
Ton 4 ist um 2 niedriger als Ton 3, deshalb ist Strich 4 um 2*45 = 90 Grad nach rechts
gedreht. Es folgen noch 2 gleiche Töne, leicht an der geraden
Linie erkennbar (insgesamt sind es also 3 gleiche Töne, Ton 4 -6).
... usw.
Man erkennt auch 2 Tonänderungen um jeweils 4 Tonhöhen (entspricht
Strich-Drehung um 180 Grad: die 2 Doppelstriche in der Mitte und oben).
Da man an dieser Darstellung nicht erkennt, an welchem Ende und mit
welchem Ton die Melodie beginnt, kann man neben den Anfang den
Namen des 1. Tons schreiben. (Andere Möglichkeit: Man beginnt immer
mit einer roten '1', die Ton a symbolisiert, und setzt oben den 1. Ton
der Melodie an, entsprechend seiner Tondifferenz zu a verdreht.)
Der Wert dieser Polygondarstellung ist begrenzt: Sie stellt
die Melodie zwar kompakt dar. Man kann auch Folgen gleicher Töne
leicht erkennen, sie bilden eine gerade Linie. Aber es ist schwierig
sofort zu erkennen, ob eine Teilfolge steigt oder fällt (an der Rechts-
oder Linkswendung), oder wieviele längere steigende Tonfolgen die Melodie hat.
Die Polygondarstellung ähnelt quasi einer rankenden Pflanze.
Bei der Polygondarstellung gibt es noch folgendes Problem:
Es ist nicht erkennbar, ob ein Strich gegenüber dem vorigen z.B.
um 90 Grad (2 Tonhöhen) nach links oder 270 Grad (6 Tonhöhen, sehr selten)
nach rechts gedreht wurde. Das könnte man beheben: durch kleine
Richtungspfeile, verschiedene Farben, oder durch Drehung nach rechts
pro Tonsenkung nur um 1/9 Kreis (statt um 1/8 Kreis), was aber unpraktischer wäre.
Melodie als Lautbildschrift
Bekannt ist die übliche Benennung von Tönen durch Buchstaben: c , d , e , f ...
Statt der Latein-Buchstaben verwenden wir nun die Buchstaben der
Lautbildschrift,
spezielle Buchstaben, aus denen sich lesbare Ideogramme zusammensetzen
lassen. Wir definieren zunächst folgende Zuordung Töne - Lautbildbuchstaben:
(Der jedem Lautbild-Buchstaben zugehörige Sprachlaut hat nichts
mit den üblichen Notennamen zu tun.)
Schreiben wir nun die Melodie "Kommt ein Vogel ..." mit diesen Lautbild-Buchstaben,
dann sieht das so aus: (Bild unten links;
Schreibrichtung wie bei der Lautbildschrift üblich v.u.n.o,
Anfang = links unten; Spalte 1 = Liedzeile 1, Spalte 2 = Liedzeile 2.
Die Absätze in den 2 Spalten entsprechen den Absätzen in der Melodie)
Das Schreiben dieser Melodie mit Lautbild-Buchstaben ergibt kein sinnvolles Bild.
Doch wir haben absichtlich nur die Konsonantenzeichen der Lautbildschrift
als Noten-Namen verwendet. Wir können jetzt nach Belieben hinter
Konsonanten ein Vokalzeichen einfügen, um ein richtiges Bild (oben rechts)
zu erhalten, das gleichzeitig Notenschrift und Liedtext ist!
Dieses Bild wird so ausgesprochen / gesungen:
kesitakikikiSi Sekisahihimiti kesitakikikiSi Sekisafifipi
(Der Vokal i hat kein Lautbild-Schriftzeichen, sondern dient als Füll-Laut:
Er wird nach jedem Konsonant gesprochen, auf den kein Vokalzeichen folgt.
So vermeidet man unsprechbare Konsonanten-Kombinationen und macht
aus jedem Konsonanten-Noten-Zeichen 1 singbare Silbe.
Den nichtgeschriebenen Satzanfangspartikel ai und den nichtgeschriebenen
Spaltenanfangspartikel i haben wir hier weggelassen. Man kann sie auch
zusammen mit der folgenden Silbe sprechen, aber nicht als eigene Silbe,
da ihnen kein Ton entspricht.)
Obiges Bild hat eine unklare Bedeutung, denn die Ideogramme sind keine
definierten Wörter der Lautbildschrift. Man könnte die Gesichter unten
als Krieger mit Helmbusch interpretieren, die oben als König oder Priester.
Zu dieser mythologischen Szene paßt aber die Melodie nicht recht. Zumindest
müßte sie viel gesetzter vorgetragen werden als üblich. Man kann natürlich
durch anderes Einfügen von Vokalzeichen ein anderes Bild erzeugen,
und so den Liedtext der Melodie oder eigenen Wünschen anpassen.
Es gibt hier tatsächlich etliche Möglichkeiten - je mehr Vokalzeichen
zur Verfügung stehen, desto besser. Die Freiheit der Textgestaltung ist
aber - wie bei gereimten Gedichten - eingeschränkt. Man kann auch
versuchen, den Text zu reimen (ohne angefügte Vokalzeichen endet
eh alles auf -i ).
(Eine weitere mögliche Textgestaltung zu obiger Melodie zeigen wir weiter unten.)
Obige Zuordnung Töne - Konsonantenzeichen ist mehr ein Beispiel als eine
ausgereifte Lösung. Sie hat folgende Fehler:
- Zuwenige Töne (nur 9). Wir haben ja nur die Konsonantenzeichen der Einfachst-Lautbildschrift
verwendet. Für Volkslieder benötigt man ca. 12 Töne, also eine erweiterte
Version der Lautbildschrift. Auf die Darstellung der Halbtöne kann man verzichten,
oder man benötigt ca. 20 Konsonantenzeichen als Noten.
- Die Buchstaben mit senkrechten Strichen sind im Liedtext selten, obwohl sie
leicht lesbar und besonders brauchbar sind (der einzelne senkrechte Strich
kann z.B. eine Nase oder einen Baumstamm darstellen).
- Die Töne der Lautgruppen (Zischlaute, Summlaute ...) liegen auf der Tonleiter
nicht beisammen. Auch sollten die hellsten Laute, die Zischlaute,
oben liegen. Das Problem läßt sich durch eine andere Zuordnung
Töne - Buchstaben oder andere Zuordnung Buchstaben - Sprachlaute
lösen. Die beste Zuordnung ist im Moment unklar.
- Eigentlich wäre es sinniger, den Tönen Vokalzeichen zuzuordnen,
beide nach Tonhöhe geordnet (und zur Bildgestaltung Konsonantenzeichen
einzufügen). Denn Vokale klingen musikalischer als Konsonanten,
und alle sind in der Tonhöhe verschieden.
Aber die Anzahl der Vokalzeichen ist zu klein, geringer
als die der Konsonantenzeichen. Man kann aber Töne mit Silben bezeichnen:
(1 = tiefster Ton, 12 = höchster Ton)
Ton 12: si, Si, fi Ton 11: li, ni, mi Ton 10: ti, ki, pi Ton 9: se, Se, fe Ton 8: le, ne, me Ton 7: te, ke, pe Ton 6: sa, Sa, fa Ton 5: la, na, ma Ton 4: ta, ka, pa Ton 3: so, So, fo [Zischlaut + o] Ton 2: lo, no, mo [Summlaut + o] Ton 1: to, ko, po [Stoplaut + o]
Dabei gibt der Vokal der Silbe die ungefähre Tonhöhe an:
Z.B. bezeichnen alle Silben, die mit -o enden, tiefe Töne,
alle Silben, die mit -i enden, hohe Töne (entsprechend der Vokalfolge o a e i ).
Der Konsonant der Silbe gibt dann die exakte Tonhöhe an:
Ein Stoplaut (dunkel) erniedrigt die Tonhöhe etwas, bei einem Summlaut bleibt
sie gleich, ein Zischlaut (hell) erhöht die Gesamt-Tonhöhe einer Silbe etwas.
Der Konsonant ist innerhalb seiner Lautgruppe frei wählbar: Z.B. kann
Ton 1 durch die Silbe to oder ko oder po dargestellt werden.
Das macht die Textgestaltung variabel.
Eine solche Bezeichnung der Töne durch Silben ist intuitiv gut verständlich,
denn die Silben sind nach Tonhöhe geordnet: der Vokalfolge o a e i
und der Konsonantenfolge Stoplaute - Summlaute - Zischlaute.
Wir unterstellten, daß ein Stoplaut dunkler ist als ein Summlaut.
Zwar ist das eigentliche Geräusch eher heller, aber die Lautunterbrechung
bei einem Stoplaut wirkt zwischen Vokalen wie ein dunkler Laut, ähnlich u.
Die Tonhöhe beider Gruppen ist jedoch nicht sehr verschieden. Zwischen
ihnen und den Zischlauten ist der Unterschied deutlicher. Es wäre deshalb
vielleicht intuitiv richtiger, bei den Konsonanten nur zwei Gruppen zu
unterscheiden: Zischlaute und andere. Und mehr Vokale zu verwenden, z.B.
u o a e y i. Jeder der 6 Vokale hätte dann eine tiefe Tonstufe (z.B.
die Silben tu, ku, pu, lu, nu, mu) und eine hohe (z.B. die Silben su, Su, fu).
Man hätte also wieder 12 Töne.
Bei einer solchen Angabe von Tönen durch Silben ist es egal, ob man eine
Lautbild-Buchstabenschrift verwendet oder eine Lautbild-Silbenschrift
(siehe Artikel Arten von Lautbildschriften ).
Auch für das zuerst beschriebene Verfahren (nur Konsonanten als Noten)
sind beide Arten von Lautbildschriften verwendbar.
Wertung: Als Notenschrift ist die Lautbildschrift eigentlich
ungeeignet: Der Verlauf der Melodie (steigend, fallend ...) läßt sich am Text
nur schwer erkennen (es sei denn, man findet noch eine sinnigere Zuordnung
Töne - Buchstaben, z.B. nach Breite sortiert).
Dafür ist sie als Gedächtnisstütze für die Melodie unübertroffen:
Wer den Text auswendig kennt, trägt auch die Melodie mit sich herum.
Und kann sie leicht spielen: Auf einem Klavier (oder Keyboard für 100 Mark),
dessen Tasten mit den entsprechenden Lautbild-Buchstaben beschriftet sind,
muß man nur den Text eintippen wie auf einer Schreibmaschine.
Denkbar wäre auch ein billiges Keyboard, oder PC oder Palmtop, wo der
eingetippte Liedtext am Bildschirm erhalten bleibt.
Obige Notationen als Textinspiration
Obige grafische Darstellungsmöglichkeiten für Melodien scheinen
Textdichtern bekannt zu sein. Verdoppeln wir einmal das
Noten-Mosaik und drehen es:
Man erkennt im verdoppelten, nach links gedrehten Mosaik in etwa
einen kleinen Vogel (oberste 3, 7 oder oberste 10 Noten verdecken),
der zu Füßen von etwas (menschliche Beine und Arme?) sitzt.
Dreht man dieses Bild um, so erkennt man in etwa ein Gesicht
(den bekränzten Dichter?).
Der verdoppelte Polygonzug ähnelt einem Vogel mit Zettel im Schnabel,
bzw. einer (werdenden) Mutter mit Zöpfen (in anderen Drucken endet
der Liedtext: "von der Liebsten ein Gruß").
Nun schreiben wir die Melodie als Lautbildschrift, mit derselben Zuordnung
Töne - Buchstaben wie oben, aber die Melodie um 1 Ton erhöht (bzw.
die Melodie unverändert, aber die Konsonantenzeichen um 1 nach unten versetzt).
Dann läßt sich die reine Tonfolge (Bild unten, linke Spalte; rote Striche = Absätze in der Melodie)
so umformen, daß sie gut zum Text paßt (blaue Spalten rechts):
Die 1. blaue Spalte zeigt einen herbeischwirrenden Vogel zu Füßen des Dichters.
Die 2. blaue Spalte zeigt den bekränzten Dichter, aus 3 Teil-Ideogrammen
zusammengesetzt: oben wieder der Vogel, mittig ein rechteckiger Zettel
(man erkennt darauf ein weibliches Gesicht), unten das Beinpaar des Dichters.
Die 3. blaue Spalte zeigt wieder den Dichter, darüber eine aufgehende Sonne.
Die grüne Spalte zeigt eine weitere mögliche Textgestaltung.
Fazit: Der Dichter dieses Liedtextes kannte wohl die in diesem Artikel
beschriebenen Verfahren. Er betrachtete einfach die Darstellung der
Melodie als Mosaik, Polygonzug und Lautbildschrift von allen Seiten,
versuchte, darin Dinge zu erkennen, und verband diese zu einem Liedtext.
(Er verwendete bei Mosaik und Polygonzug die verdoppelte Darstellung
- die einfache ist optisch zu dürftig. Mosaik bzw. Polygonzug lassen
sich leicht verdoppeln, indem man einen Spiegel ansetzt - ausprobieren!
Der Texter kann allerdings das Bild, das die ersten zwei Darstellungsmethoden
zur Melodie liefern, nicht ändern - über unpassende Assoziationen
muß man hinwegsehen.)
Auch bei anderen Liedern paßt der Text zur Melodiedarstellung:
Alle Vögel sind schon da
Zogen einst fünf wilde Schwäne
Prinz Eugen, der edle Ritter
Anmerkung: Text und Melodie von Volksliedern sind in manchen Drucken
leicht verschieden. Obiges Lied entnahmen wir dem Buch
"Unsere schönsten Lieder", Lingen Verlag, Köln 1986
Obige Notationen als Komponierhilfe
Die Mosaikdarstellung, besonders die komprimierte Form, weckt das
Gefühl dafür, daß Melodien nicht nur aus Noten zusammengesetzt sind
(sozusagen ein Notenbandwurm), sondern auch aus Gruppen von Noten,
d.h. steigenden, fallenden und gleichbleibenden Tonfolgen.
Man kann versuchen zu komponieren, indem man solche Notengruppen kombiniert.
Fortlaufend macht man die Hörprobe.
Zum Schluß macht man "per Hand" den Feinschliff, d.h. man ändert hier und da
noch etwas, nach dem Prinzip: "Kunst ist Regelmäßigkeit mit einigen Abweichungen".
Beispiele:
Bild links unten: Wir beginnen mit einem banalen Kompositionsversuch:
Ein Quadrat, bestehend aus 3 gleichen steigenden Tonfolgen, je 3 direkt
aufeinanderfolgende Töne.
Diese Melodie ist - optisch und akustisch - nett, aber nicht berauschend.
Bild 2 unten: Wir versuchen, das steigende Quadrat (rote Noten)
durch ein gleiches, aber fallendes Quadrat (blaue Noten) zu entspannen
(zu harmonisieren oder aufzulösen, im Sinn einer Aufgabenlösung):
Diese Melodie ist - optisch und akustisch - schöner als das einzelne Quadrat.
Bild 3 unten:
Fügt man an das steigende Quadrat (rot) statt des fallenden Quadrats
eine fallende Tonfolge (blau) oben an, so wird die Melodie
- optisch und akustisch - deutlich beschwingter, musikalischer.
(Auch die blaue Tonfolge ist in gewissem Sinn "quadratisch", nämlich aus
4 = 2 x 2 Tönen bestehend).
Bild rechts unten: Wir dehnen ein fallendes Quadrat nach unten,
d.h. wir vergrößern die Notenabstände. Dann folgt noch eine fallende Tonfolge.
Die Melodie ist jetzt - optisch und akustisch - recht schön.
Bei obiger stark komprimierter Notenschreibweise gilt also:
- Optik und Akustik sind bei dieser Notenschrift parallel
Das heißt: je interessanter eine Melodie optisch aussieht, desto interessanter
klingt sie. Und die musikalischsten Stellen sind die Übergänge in der Notenschrift:
in Bild 2 der Übergang zwischen den zwei Quadraten, in Bild 3 und 4
der Übergang vom Block zur einzelnen Tonfolge.
Beispiel für eine optisch und akustisch ruhige Melodie:
Der Mond ist aufgegangen
Beispiel für eine bewegtere Melodie:
Am Brunnen vor dem Tore
Hier einige Eigenkompositionen,
die optisch und akustisch lebendiger sind als obige Tonfolgen.
Man erkennt: Die Notengruppen einer interessanten Melodie müssen
1) teils steigen, teils fallen. Das eine ist sozusagen die Auflösung des anderen.
Die meisten Melodien beginnen mit einer Steigung.
2) zum Teil gegeneinander verschoben sein
(nicht alle auf derselben Höhe beginnen / enden)
3) zum Teil ungleich lang sein
Man kann eine Melodie mit einem Text vergleichen, einen Abschnitt
von ihr mit einem Satz, eine kurze (z.B. steigende) Tonfolge mit einem
Wort, eine einzelne Note mit einem Buchstaben.
So wie man einen Text eher aus Wörtern als aus Buchstaben zusammensetzt,
versucht man bei obigem Komponierverfahren, eine Melodie eher aus
Notengruppen als aus Einzelnoten zusammenzusetzen. (Manchmal kann
auch eine einzelne Note den Rang einer Notengruppe haben).
Die Anzahl der 'Worte', also der Notengruppen, ist begrenzt.
(Wird ergänzt)
Besonders interessant sind Noten-Mosaiken, die etwas abbilden.
Zunächst einige spielbare geometrische Figuren:
Quadrat, Quadratrand, Raute, 2 rechtwinklige Dreiecke, 2 andere Dreiecke, Kreis.
Die Figuren lassen sich vertikal verschieben, die Dreiecke auch
vielfältig drehen und teilweise zu nett klingenden Gruppen zusammensetzen.
Noch interessanter sind Noten-Mosaike, die Gegenstände oder Gesichter zeigen:
(Vergleiche den Artikel über
Punkteschriften
und deren einfachstes Beispiel, die
Punkteschrift mit 7 Zeichen)
Obige Gesichter klingen interessant (auch um 90 Grad gedreht),
aber nicht wirklich melodisch. Es ist schwierig, Bilder zu entwerfen,
die gleichzeitig eine schöne Melodie darstellen oder umgekehrt.
Aber wohlklingende Melodien bilden meist abstrakt-dekorative Muster.
Musik als mathematisch formales System ?
Obige komprimierte Notenschreibweise erinnert stark an ein Rechenbrett (Abakus)
mit Kugeln auf Drähten. Das führt zu dem Gedanken:
Ist Musik (zumindest alle wohlklingenden einstimmigen Tonfolgen bis zu einer
gewissen Länge) mathematisch formalisierbar? Ist Musik im mathematischen Sinn
aufzählbar bzw. entscheidbar?
+ Formalisierbar bedeutet hier, daß sich jede wohlklingende Tonfolge z.B. aus
dem Startbegriff 'Melodie' einer formalen Grammatik herleiten läßt.
(siehe unten; vergleiche auch die Formale Grammatik der Lautbildschrift)
+ Aufzählbar im math. Sinn bedeutet hier, daß es einen Algorithmus gibt, der alle
wohlklingenden Tonfolgen erzeugt (aber keine häßlichen).
+ Entscheidbar bedeutet hier, daß es einen Algorithmus gibt, der nach endlich
vielen Schritten entschieden hat, ob eine vorgelegte Tonfolge wohlklingend ist.
Ich halte beides für fraglich (und vielleicht nicht wünschenswert).
Denn einmal ist Wohlklang teilweise subjektiv.
Außerdem ist schon für die mathematische Logik,
ein sehr einfach strukturiertes System, bewiesen:
Zwar ist der ganz banale Aussagenkalkül (Wahrheitswerte 'wahr' und 'falsch' ,
verbunden mit Operatoren wie 'nicht' , 'und' , 'oder' ) entscheidbar.
Aber schon die etwas kompliziertere Prädikatenlogik ist nicht entscheidbar.
Doch könnte es Algorithmen geben, die nur wohlklingende Tonfolgen einer
bestimmten Musikrichtung erzeugen (zumindest für Liebhaber dieser
Musikrichtung wohlklingend). Mozart z.B. hat ein System entworfen,
verschiedene Teilsätze eines Menuetts zu immer neuen Menuetts zu
kombinieren. Er verwendet dabei aber bereits fertige Teilmelodien.
Eine generative Grammatik zur Erzeugung von Melodien könnte so beginnen:
Melodie = Anspannung Lösung (Anspannung Lösung)..
Die Zeile soll bedeuten, daß eine Melodie aus einer oder mehreren
Perioden 'Anspannung + Lösung' besteht (meist 'Anstieg + Abstieg').
Man könnte versuchen, einen Formalismus zu finden, welche Lösung
zu welcher Anspannung paßt, oder zumindest, ob eine bestimmte Lösung
zu einer bestimmten Anspannung paßt.
Hier könnte man an eine Gewichtung der Noten denken
(nach Tonhöhe und Entfernung), das Gewicht der Anspannung
muß gleich dem negativen Gewicht der Lösung sein.
Man könnte das als Wiegeproblem sehen. Wie in der Mathematik könnte
es zu einer bestimmten Aufgabe 0, 1 oder mehrere Lösungen geben.
Einfacher als das formale Erzeugen schöner Melodien ist vielleicht
das formale Erzeugen schöner Rhythmen. Wir beschränken im folgenden
Beispiel auf das wohl einfachste Beispiel, nämlich Trommelrhythmen,
d.h. Folgen immer desselben Tons, aber mit unterschiedlichen Pausen
(hier dargestellt durch:
kein Leerzeichen, 1 Leerzeichen, 2 Leerzeichen mit Punkt dazwischen;
Komma trennt verschiedene Rhythmen):
2 Schläge: o o , oo 3 Schläge: o o o , o oo , oo o , ooo 4 Schläge: o o o o , o o oo , oo o o , o oo o , o ooo , ... 5 Schläge: ... , oo o oo , ... 7 Schläge: ... , o o o . oo o oo , o o o . o oo oo , ... (Statt nach Anzahl Schlägen könnte man Rhythmen auch nach Zeitdauer klassifizieren, d.h. die Pausen mit einbeziehen)
Bei den obigen Rhythmen mit 3 Schlägen ist 'o oo' oder seine Umkehrung
'oo o' am interessantesten (auch wenn mit Pausen mehrfach wiederholt).
Bei 4 Schlägen 'oo o o', bei 5 und 7 Schlägen die hier gezeigten Rhythmen.
Ob sich das Ganze mathematisch formalisieren läßt, ist fraglich.
In jedem Fall könnte man versuchen, aus den Regeln für harmonische
Trommelrhythmen Regeln für harmonische Melodien abzuleiten:
So könnte man eng aufeinanderfolgende Trommelschläge mit steigenden
Tonfolgen gleichsetzen (beide wirken dynamisch), zeitlich stärker
getrennte Trommelschläge mit bleibenden oder fallenden Tonfolgen.
Man könnte sogar versuchen, eng aufeinanderfolgende Trommelschläge
mit einzelnen Tonhöhen in Beziehung zu bringen
(Anzahl Schläge * Grundfrequenz = Tonhöhe).
Letzten Endes könnte man einen Trommelrythmus in eine Melodie übersetzen
und umgekehrt. Idealerweise sollte die Übersetzungsmethode so sein, daß
Wohlklang oder Nicht-Wohlklang erhalten bleibt.
Es ist besser, zuerst Erfahrung zu sammeln, d.h. die
Notenmuster schöner Rhythmen und Melodien zu studieren und zu versuchen,
Gesetzmäßigkeiten des Wohlklangs zu entdecken, statt zu versuchen,
a priori einen Formalismus des Wohlklangs zu entwerfen.
Die Benutzung der hier beschriebenen Techniken ist frei Stand: 4.4.04 Autor und Erfinder: Leonhard Heinzmann Homepage