Sprache und Psyche
Übersicht
Wir beleuchten hier die psychischen Seiten der Sprache:
psychischer Eindruck, besonders Ästhetik und Musikalität,
Zusammenhang Laut-Form, Analogie zu Hand und Mund,
instinktive Richtigkeit von Worten, Esoterik.
Viele dieser Gesichtspunkte spielen auch bei Schriften eine Rolle.
Wirkung des Klangs
Der psychische und ästhetische Eindruck, den gesprochene Sprache auf
Personen macht, ist subjektiv verschieden, wie auch z.B. bei Gemälden.
Trotzdem gibt es weitverbreitete Übereinstimmungen.
Am einfachsten zu beurteilen sind wohl einzelne Laute:
Manche Laute findet man von Natur aus klangschön (eine Ansicht,
die schon Platon vertrat). Zum Beispiel die Vokale
i y e a o ,
besonders wenn sie klar und hell gesprochen werden.
Eine vokalreiche Sprache mit diesen Lauten wirkt munter und farbig.
Noch viel schöner wirken Kombinationen dieser Vokale, z.B.:
ei ai oi ie ia io ye ya yo iei iai ioi yei yai yoi eie aia oio eia aie aio oia aiai aioi oioi ...
(sprich ie wie ije, ye wie üje, iei wie ijei, aiai wie aijai)
Dagegen wirkt u viel dumpfer und unmusikalischer (doch eine Kombination mit hellen Vokalen kann ästhetisch sein).
Eine Person mit vielen dunklen Wörtern anzureden, wird intuitiv als unfreundlich oder gar bedrohlich empfunden.
Auch macht u die Sprache unklarer, was auch als negativ empfunden wird:
ein Konsonant wird m.E. um so schlechter gehört, je dunkler die benachbarten Vokale sind.
Wohl aus allen drei Gründen ist z.B. im Italienischen und Spanischen
u viel seltener als die anderen Vokale (ca. 1/3 bis 1/4). Umgekehrt
ist im Sumerischen u häufiger, und im Akkadischen enden praktisch
alle Wörter auf -u: Hier diente die Rede sozusagen der Einschüchterung
des Gegenüber und allgemein dem Aufbau einer furchtsam-autoritativen Stimmung.
Auch Konsonanten bestimmen den intuitiven Eindruck einer
Sprache, aber meist weniger als Vokale. Die wichtigste Unterscheidung
ist wohl die zwischen den hellen Zischlauten (s, sch, ch, f) und j
einerseits und den übrigen, dunkleren Konsonanten.
Auch manche Konsonantenkombinationen, z.B. st ,
wirken ästhetischer als andere.
Besonders bei den Lautkombinationen spielt nicht nur die Ästhetik,
sondern auch die Verständlichkeit eine Rolle: unbekannte Sprachen
mit vielen Konsonanten, besonders mit Kombinationen von 3 oder mehr
Konsonanten sind schlecht verständlich und wirken schon deshalb unangenehm.
Dagegen sind Wörter mit Silbenstruktur Konsonant-Vokal auch bei unbekannten
Sprachen leicht verständlich und wirken angenehmer, lockerer, spielerischer.
Auch Satzmelodie und Rhythmus bestimmen stark den
psychischen Eindruck einer Sprache. Vermutlich beeinflußt die
Satzmelodie eher das Gefühl, der Rhythmus eher den Instinkt.
Mehr zum Lautsystem
Zahlenmäßige Ausgewogenheit, Matrixdarstellung
i e a o Vokale (summend) l v n m Konsonanten summend s f t p " nichtsummend
Obiges Lautsystem erscheint zahlenmäßig ausgewogen (wenn auch klein).
Vordergründig scheint die zahlenmäßige Ausgewogenheit eines
Lautsystems weniger wichtig als Sprechbarkeit und Wohlklang.
Doch wirkt ein ausgewogenes Lautsystem, wenn man es bewußt
wahrnimmt, harmonischer. Und wie wirkt es unbewußt?
Vielleicht empfindet man ein zahlenmäßig ausgewogenes Lautsystem
auch unterbewußt als harmonischer: Bach war der Meinung,
die Seele zähle unbewußt, die Tonleiter sei deshalb von Natur
aus richtig. (Es gibt aber weltweit verschiedene Tonleitern mit
5,8,9,12 Tönen - eine kulturelle Prägung beim Hören von Musik
ist wahrscheinlich. Doch wird z.B. die moderne 12-Tonleiter
allgemein als wenig harmonisch empfunden.)
Weil obiges Lautsystem zahlenmäßig ausgewogen ist, läßt es sich
als Matrix darstellen (wobei jede Zeile 1 Lautgruppe entspricht).
Es läßt sich auch gut als Hand-Analogie
auffassen, wobei jedem Fingergelenk ein Laut zugewiesen wird.
Die Matrixdarstellung eines Lautsystems kann einen Laut als
Mittelpunkt haben (bei ungeraden Seitenlängen, z.B. bei 3*5 Lauten)
oder keinen (obiges System), sie kann rechteckig sein oder quadratisch (z.B. 4*4 Laute).
Auch andere Formen können eingängig sein, z.B. wenn in obigem
System über dem i noch ein y stünde (und vielleicht über dem o ein u),
oder wenn die Mittelspalte eines Systems um 1 Laut höher ist.
Auch getrennte Darstellung von Vokalen und Konsonanten in 2 Matrizen ist denkbar.
Grammatik
Eine einfache regelmäßige Grammatik assoziiert man mit einem
klaren tiefen Verstand, eine unnötig komplizierte Grammatik
mit einer umständlichen, verschrobenen oder pedantischen Denkweise.
Zwar hat der einzelne Angehörige einer Sprachgruppe sich seine
Sprache und Grammatik nicht selbst ausgesucht. Man kann ihm
also nicht unbedingt die positiven oder negativen Eigenschaften
seiner Sprache unterstellen. Aber er kann von diesen durchaus
unterschwellig beeinflußt werden:
Mißbildet eine unnötig komplizierte Grammatik den Verstand?
Ist eine einfache, logische Grammatik ein Anreiz für ihre
Sprecher, auch anderswo Lösungen einfach zu formulieren,
d.h. einfache Lösungen zu finden?
Grammatik ist wohl deshalb bei Schülern meist unbeliebt,
weil sie die deutliche Empfindung haben, daß das Ganze eher
ein umständliches Regelwerk ist als ein einfaches, klares Mittel,
Zusammenhänge auszudrücken. Und sie wollen ihren Geist nicht
dieser Mißgeburt anpassen, wenn sie auch meist nicht die Frage
stellen, ob es auch einfacher ginge. Denn die meisten Grammatiken
sind viel zu kompliziert.
Sprache und Form
Mit Synästhesie ('gleichzeitige Warnehmung') bezeichnet man die
Tatsache, daß manche Personen beim Hören eines Lautes Vorstellungen
einer bestimmtem Farbe haben (oft auch von Form oder Geruch).
Vermutlich ist das eine allen Menschen angeborene Fähigkeit,
die bereits im frühen Kindesalter verdrängt wird (ins Unterbewußte abgedrängt).
Die Assoziation Laut-Form ist wohl keinem ganz verlorengegangen:
Es ist allgemein-menschliche Erfahrung, daß praktisch jeder
Gegenstand zumindest beim Anstoßen oder Fallen ein spezielles
Geräusch macht.
Auch bei Worten gibt es einen Forminstinkt: Man empfindet
das Wort 'lulu' eher als schlabberig, das Wort 'kata' eher als hart.
Dass ein Laut-Form-Instinkt existiert, zeigt auch folgender Versuch:
Personen wurden 2 abstrakte Grafiken gezeigt, eine mit runden Formen,
eine mit dreieckig spitzen Formen. Die Versuchspersonen sollte eine
Grafik 'maluma' nennen, die andere 'takete'. Fast alle Personen
entschieden sich dafür, die 'runde' Grafik 'maluma' zu nennen,
die 'eckige' Grafik 'takete'. (Peter Lauster, Menschenkenntnis,
Econ Verlag 1989). Andere abstrakte Formen ordneten Versuchspersonen
ziemlich einheitlich bestimmten Empfindungen wie Schmerz, Kummer,
Freude oder Übermut zu.
Man könnte sich fragen, ob auch das Prinzip der
Lautbildschrift , bei der spezielle Buchstaben zu akustisch
lesbaren Bildsymbolen zusammengesetzt werden, angeboren ist.
"Den ersten Menschen hatte Gott die Buchstaben ins Herz eingesenkt"
so steht es in der Bibel und wohl auch in anderen religiösen Schriften.
Das heißt, daß diese Menschen zu jedem Sprachlaut (oder jeder Silbe:
Silbenschrift) eine bestimmte Form assoziierten (wohl aufgrund tieferer
Zusammenhänge), die auch als Buchstabe verwendbar war.
Das heißt, daß diesen Menschen eine Ur-Schrift angeboren war
(und damit wohl auch eine Ur-Sprache: eine Lautbildschrift? ).
Das wirft die Frage auf, ob unsere Schriften (z.B. die Lateinschrift)
instinktiv richtig sind. Passen die Buchstaben zu den Lauten?
Nein. Das gewundene S würde eher zum
Laut L passen, das eckige L eher zum markanten Laut K .
Generell müßten ähnliche Laute ähnliche Buchstaben haben.
Aber die Zischlaute S und F zum Beispiel haben sehr unterschiedliche Formen.
(Auch die Alphabet-Reihenfolge der Lateinschrift ist nicht
systematisch nach Lautgruppen. Gegenbeispiel: Die Lautbildschrift).
Schrift instinktiv, gefühlsmäßig richtig zu gestalten ist schwierig.
Selbst falls die einzelnen Zeichen instinktiv richtig sind, können
Kombinationen daraus doch instinktiv unpassend erscheinen:
So können Zischlaute durch einzelne oder parallele Striche repräsentiert werden, die wie diese Laute irgendwie 'zischend' wirken.
Doch aus solchen senkrechten und waagrechten Strichen kann man ein Quadrat zusammensetzen, das nicht mehr
zischend wirkt, sondern eckig, schwer und statisch.
Der psychische Zusammenhang zwischen Sprache und Form könnte
eine Reihe von Ursachen haben:
- Äußere Natur: Gegenstände machen arteigene Geräusche,
Geräusche erzeugen äußere Formen (Schall über Wasseroberfläche,
siehe unten Klangfiguren)
- Menschliche Natur: Mund: das Wort 'lulu' wirkt wohl deshalb passend zu
Begriffen wie 'schlabberig' oder 'schlammig', weil bei diesem
Wort die Zunge im Mund hin- und her schlabbert.
Hand: Die Zunge ahmt manchmal die Bewegung der Hand nach.
Ziemlich populär ist heute die Theorie, daß die Sprache durch
Nachahmung der zeigenden Hand mit der Zunge entstand.
- Kulturelle Prägung: z.B. durch gelernte Buchstabenformen ?
- Synästhesie: die Ursachen der Synästhesie sind nicht ganz klar,
sie liegen wohl im Bereich der Nerven- und Gehirnschaltungen.
Erwähnenswert ist, daß sich Sprache durch elektrische Sprachanzeige
sichtbar machen läßt. Das häufigste Verfahren ist die Darstellung
der Tonhöhen entlang der Zeitachse (nebenbei: jeder Sprachlaut
hat mehrere Tonhöhen = Frequenzen).
Intuitive Richtigkeit
Der Zusammenhang zwischen Laut und Form, und die Frage der intuiven
Richtigkeit von Buchstaben und geschriebenen Wörtern, wurde gerade behandelt.
Es gibt auch die Empfindung, daß ein bestimmtes Wort akustisch zur
Wortbedeutung paßt oder nicht. Dieser Zusammenhang zwischen Laut
und Bedeutung läßt sich sicher teilweise auf den Zusammenhang
Laut - Form (und seine verschiedenen Ursachen) zurückführen.
Manchmal spielt auch Lautmalerei eine Rolle. Meiner Ansicht nach
sind diese Erklärungen aber nicht immer ausreichend. Es gibt
vielleicht noch tiefere Zusammenhänge.
Auch Farb-Synästhesie kann eine Rolle spielen. Asooziiert man z.B. den Laut i mit weiß
(vgl. deutsch helle Farbe - heller Laut), e mit grün, a mit rot, o mit blau, u mit braun,
so könnte für die Begriffe weiß, grün, rot, blau, braun die Worte ishi, ene, ala, ono, upu entwerfen
(das helle sh in ishi verstärkt den hellen Laut i, das dunkle p in upu den dunklen Laut u)
Beispiele für intuitiv mißlungene Worte sind deutsch 'Gott' und 'gut'.
(Kaum besser sind die entsprechenden englisch Wörter 'god' und 'good').
'Gott', ein Wort wie ein Kanonenschuß, erinnert intuitiv an Schock
oder Ähnliches, wohl weil fallende oder brechende Gegenstände so
ein ähnliches Geräusch machen. Intuitiv viel besser, aber nicht
perfekt sind die Worte 'Güte' und 'Liebe'.
Esoterik
Der altgriechische Philosoph und Mystiker Demokrit behauptete,
daß die Sprache den Äther in 'ähnlichgestaltige Teile' zerkrümele.
Das darf man m.E. nicht zu wörtlich nehmen (ähnlich zu was? der Schrift?).
Doch die Sprache (die mehr ist als nur ihre Lautäußerungen, auch mehr
als die elektrischen Abstrahlungen von Muskeln, Kehlkopf und Gehirn beim Sprechen)
beeinflußt sicher feinstoffliche Bereiche. Nicht umsonst
spielen Gebete und Rezitationen in allen Religionen eine wichtige Rolle.
Im Christentum gilt das Gebet zwar offiziell mehr als Interaktion
zwischen Gott und Mensch ("Gott bitten"), im Buddhismus aber
gelten Gebete als wirksam auch durch die natürliche 'mantrische'
Wirksamkeit der Laute bzw. Lautkombinationen. (Aber die Psyche,
die Konzentration, der Wille und die Gedanken des Betenden gelten wohl
auch hier als die Hauptsache).
Dies ist ein schwieriges Thema, bei dem man versuchen muß,
die Fakten zu erkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen
ohne in Aberglauben zu verfallen. Die spirituelle Wirksamkeit
von Sprachen ist vermutlich unterschiedlich, der Instinkt
hält klare, helle, vokalreiche, kurz schöne Sprachen für
höherwertig als dumpfe oder konsonantisch gedrängte Sprachen.
Bei den altern Indern galt die richtige Aussprache der Laute
als religiöse Pflicht (Arnold Wadler, 'Der Turm von Babel').
Wie bei der Ästhetik haben auch bei der Esoterik sicher Einzellaute,
Lautkombinationen, Worte, Rhythmus und Sprachmelodie jeweils
spezifische Wirkungen.
Nach der mantrischen Auffassung müßten auch Alltagsgeräusche
eine 'jenseitige' Wirkung haben: sind Geschrei und Maschinenlärm
spirituell negativ? Sind wir ethisch verpflichtet,
den Alltag auch akustisch positiv zu gestalten?
Für Demokrits Behauptung, die Sprache zerkrümele den Äther in
ähnlichgestaltige Teile, gibt es 2 etwas konkretere Beispiele:
Die Chladnischen Klangfiguren und Masuru's Wasserkristalle:
- Wenn eine mit Sand bestreute Blechplatte mit einem Geigenbogen
am Rand gestrichen wird, entstehen Klangfiguren, d.h. der Sand
ordnet sich auf der Platte in Mustern an. Diese filigranen,
komplexen Muster sind je nach Tonhöhe verschieden.
Es gibt ähnliche Versuche mit sandbestreuten Membranen,
die Schall ausgesetzt sind, und Wasseroberflächen.
- Wenn Wasser schockgefroren wird, entstehen Wasserkristalle.
Masaru Emoto zeigt in seinen Büchern, daß deren Form davon
abhängt, welchen Tönen, Klängen oder Sprachlauten das Wasser
im Moment des Gefrierens ausgesetzt war. Auch Begriffe bringen
eine spezifische Wirkung hervor: bei 'positiven' Begriffen wie 'Engel'
entwickeln sich ästhetische Kristalle, bei negativen unangenehm
wirkende, verklumpte Gebilde. Diese Wirkung von Begriffen kann
aber nicht allein der Klangwirkung zugeschrieben werden,
da dieselben Begriffe in verschiedenen Sprachen gleiche Resultate
brachten. Auch bloße Zettel mit diesen Begriffen, auf dem Behälter
mit Wasser angebracht, brachten ähnliche Ergebnisse. Sollten
diese Versuche sich als reproduzierbar erweisen, würden sie
unser Weltbild sehr beeinflussen.
Wenn die Sprache tatsächlich 'jenseitige' Wirkung hat, ist es notwendig und eine moralische Pflicht,
die Sprache so zu verbessern, daß sie auch 'jenseitig' möglichst positive Wirkungen hervorbringt.
(Wadler spricht von der 'wundertönenden' Sprache der alten Griechen).
Hier ist eine Zusammenarbeit von Wissenschaftlern (s. obige Versuche) und Mystikern notwendig.
Vermutlich könnte eine gut entworfene künstliche Sprache auch hier bessere Ergebnisse bringen
als viele oder alle 'natürlichen' Sprachen, wie sie auch grammatisch einfacher und regelmäßiger sein kann,
leichter zu sprechen und ästhetischer zu hören.
Hat auch die Schrift eine esoterische Wirkung? Eine schwierige
Frage. Masaru Emoto's Versuche scheinen das zu beweisen.
"Der Mensch wird, was er ansieht" lautet eine buddistische
Weisheit. Das ist wohl zunächst auf das Ansehen menschlicher
Verhaltensweisen bezogen, doch steckt wohl auch die Idee dahinter,
daß auch Formen eine mantrische Qualität haben.
Danach hätte zumindest indirekt - über die Beeinflussung
der menschlichen Psyche - die Form der Buchstaben, wohl auch ihre
Größe, Farbe, das Textformat, die Schreibrichtung, eine
esoterische Wirkung. Sicher hat auch der Unterschied zwischen
einer 'blinden' Lautschrift, einer 'stummen' Bilderschrift und einer
Lautbildschrift
eine psychologische und wohl auch esoterische Bedeutung.
Autor: Leonhard Heinzmann Homepage Stand: 1.2.2007