Ein Finger-Buchstabiersystem

Übersicht

Wir zeigen, wie man mit den Fingern auf einfache Weise, tastaturähnlich, Texte signalisieren kann. Zweck: Kommunikation mit Taubstummen oder bei Lärm oder Schweigezwang.   Für größere Entfernungen gibt es ein ähnliches System für die Arme.



Ein Finger-Buchstabiersystem

Angenommen, wir hätten eine Sprache mit folgendem schön gruppierten Lautsystem:


            i  e  a  o       Vokale       summend
            n  m  l  v       Konsonanten  summend
            s  f  t  p            "       nicht summend

Diese 12 Laute lassen sich so angeordnet auf einer kleinen Tastatur unterbringen, die sogar auf eine Computermaus passen würde. Außerdem lassen sich diese 12 Laute symbolisch 12 Punkten auf den Fingern zuordnen, wie folgendes Bild zeigt:



Wir haben die 12 Laute den 12 am deutlichsten sichtbaren Fingerteilen der linken Hand zugeordnet: die Vokale den Fingernägeln, die summenden Konsonanten den Mittelgelenken der Finger, die nichtsummenden Konsonanten den Grundgelenken.
Diese Zuordnung ist sinnig: den schönsten Lauten, den Vokalen, entsprechen die schönsten Fingerteile, die Nägel. Den härtesten Lauten, hier t und p, entsprechen die 2 massivsten Gelenke (an Faust gut erkennbar).

Zum Signalisieren eines Lautes tippt man ihn kurz mit dem Zeigefinger der rechten Hand an. Dabei hält man die linke Hand vor der Brust, Handaußenfläche vorn, Finger entweder nach oben oder nach rechts zeigend. Diese Stellung ist fast ermüdungsfrei, und der Tippende und der 'Empfänger' können die Handaußenfläche gut sehen. Auch Wortenden müssen signalisiert werden. Entweder indem man dem Leerzeichen eine Stelle, z.B. die Lücke zwischen Daumen und Hand, zuweist und da hinein tippt, oder indem man den zeigenden Finger krümmt und streckt. Durch Schließen und Öffnen der Matrix-Hand zeigt man ein Satzende an.



Zweck

Kurze Texte lassen sich lautlos signalisieren. Das ist nützlich z.B. zur Kommunikation mit Taubstummen (wer kennt schon deren spezielle Zeichensprache?), bei großem Lärm oder durch schallhemmende Scheiben hindurch, oder bei Schweigezwang (Versammlung, Vorsagen beim Theater, Klassenarbeit, Lawinengefahr, Gefährdung durch feindliche Menschen).

Im Vergleich zu anderen Systemen, die Laute durch kompliziertere Fingergesten ausdrücken, ist obiges System viel leichter erlernbar und schneller im Gebrauch.


Die Zuordnung Laute - Fingerteile ist auch ein didaktisches Mittel, um das Lautsystem und seine Gruppierung zu erklären und dem Gedächtnis einzuprägen. In Kulturen ohne Schrift ist das In-die-Hand-Tippen ein Mittel um zu zeigen, daß Sprache aus einzelnen Lauten zusammengesetzt ist.
Bei Schulanfängern könnte man farbige Etiketten mit je 1 Buchstaben auf den Nägeln / Gelenken anbringen. Durch rhytmisches, melodisches Rezitieren ( i - e - a - o ... ) und gleichzeitiges Antippen werden außer dem Finger-Buchstabiersystem auch der Lautbestand, die Alphabetreihenfolge (falls im Ggs. zu heute so systematisch) und die Form der Buchstaben erlernt.



Erweiterungen

Man könnte obige 12 Laute auch den 12 Fingergelenken zuordnen, oder den 12 Fingergliedern. Hat man mehr als 12 Laute, kann man z.B. die Fingernägel und 3 Reihen Fingergelenke verwenden, auch noch 1 oder 2 Reihen Fingerglieder, was dann aber unübersichtlich wird. Schön ist eine matrixförmige Anordnung der Laute bei geschlossener Hand (wie in obigem Bild). Doch sind Stellen auf dem Daumen oder gepreizten Fingern bei schnellem Tippen oder größerer Entfernung besser erkennbar.

Zum Tippen von Diphtongen kann man eine Vereinfachung ersinnen: man tippt nicht oben auf den Nagel, sondern an die Spitze des Fingers, mit dessen Vokal der Diphtong beginnt. Z.B. tippt man auf die Fingerspitze a, um den Dipthong ai zu signalisieren. Oder man tippt mit einem anderen Finger. Diese Verfahren funktionieren nur, wenn es zu jedem Vokal höchstens 1 Diphtong gibt, der mit diesem Vokal beginnt (z.B. nur ei, ai, oi).



Variationen

Fingerteil-Analogie: So könnte man obige Zuordnung nennen, bei der den Lautgruppen bestimmte Fingerteile, z.B. Nägel und Gelenke, entsprechen.

Flötenanalogie: Statt die Lautgruppen quer über die Finger zu verteilen, (z.B. die Vokale den Nägeln zuzuweisen), könnte man sie je einem Finger zuweisen. Beispielsweise die Vokale dem Zeigefinger:   o = Grundgelenk, a = Mittelgelenk, e =Endgelenk, i =Nagel
Die Vokale wären dann flötenartig angeordnet, die höheren Töne sind oben (wenn die Nägel nach oben zeigen). Auch die Konsonanten jeder Gruppe würde man nach Tonhöhe anordnen.

Mundanalogie: Man könnte auch die Hand dem Mund zuordnen und aus den Mundwerkzeugen, mit denen ein Laut gebildet wird, seine Lage auf der Hand ableiten. Die Zunge könnte dem Daumen entsprechen, auf ihm könnte man die Zungenlaute l und r plazieren. Die Zähne könnten den Nägeln entsprechen, hauptsächlich an ihnen gebildete Laute (s, t, n, l) würde man also den Nägeln zuweisen.
Generell könnte man hinten im Mund gebildete Laute auf die Grundgelenke der Finger plazieren, mit vorgeschobener Zungenspitze gebildete Laute den Fingerspitzen. Die Grundgelenke würden aber auch zu Lauten passen, die man mit geschlossenem Mund bildet, wie m und p.   Insgesamt wäre eine solche Zuordnung schwieriger zu entwerfen, schwerer zu verstehen und teilweise widersprüchlich. (Ebenso ist es schwierig, alle Buchstabenformen aus der Mundstellung oder Mundbewegung abzuleiten).

Analogie zur Buchstaben-Matrix: Bei der Lautbildschrift lassen sich die Buchstaben nach ihrer Form matrixförmig anordnen. Die ganze Matrix ähnelt den Fingern einer Hand. Entsprechend könnte man den Lauten ihre Position auf der Hand zuweisen.
Da aber die Form der Buchstaben parallel zum Laut ist, hat man letzten Endes wieder eine Anordnung nach dem Prinzip der Fingerteil-Analogie.





Ein Arm-Buchstabiersystem

Um kurze Texte auf größere Entfernungen zu signalisieren, kann man das Finger-Tippsystem auf die Arme übertragen. Die Laute liegen nun nicht auf der linken Hand, sondern auf dem linken Arm:

      Hand           = Fingernagel
      Ellbogengelenk = mittleres Fingergelenk
      Schultergelenk = Finger-Grundgelenk

Die 4 Finger der linken Hand werden durch 4 verschiedene Haltungen des linken Arms ersetzt:

      kleiner Finger = Arm schräg nach unten ausgestreckt
      Ringfinger     = Arm waagrecht ausgestreckt
      Mittelfinger   = Arm schräg nach oben ausgestreckt
      Zeigefinger    = Arm senkrecht nach oben ausgestreckt



'Getippt' wird mit dem rechten Arm, der auf die entsprechende Stelle des linken Arms zeigt. Stattdessen könnte auch die gemeinte Lautposition (Schultergelenk, Ellbogen, Hand) indirekt durch die Haltung des rechten Arms signalisiert werden: z.B. angewinkelter rechter Arm (Hand an Schulter) schräg nach unten / waagrecht / schräg nach oben. Oder rechter Arm waagrecht ausgestreckt (= Hand), rechter Oberarm waagrecht, Unterarm angewinkelt (= Ellbogen), rechte Hand liegt auf linkem Schultergelenk (= Schultergelenk).




Historisches

Relativ neu sind die Taubstummen-Alphabete. Bei ihnen werden Laute durch kompliziertere Fingergesten ausgedrückt. Manche benutzen auch andere Körperteile, manche haben auch Wort-Zeichen.

Bekanntermaßen gab und gibt es auch vielfältige Handzeichen von Landstreichern und Gaunern. Ich sah einmal eine Fernsehsendung, in der gezeigt wurde, wie ein Mafioso vor Gericht durch seine Handhaltung Signale nach draußen gab.

Auf historischen Gemälden, auch auf modernen Fotos von mehr oder weniger Prominenten sieht man oft Personen mit prägnanter, gekünstelt wirkender Handhaltung. Diese könnte die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geheim- oder Mysterienbund signalisieren. Diese Handhaltungen könnten durchaus auf einer alphabetisierten Gestik beruhen. Denn da die matrixförmige Gruppierung von Lauten bereits seit der Antike gebräuchlich ist, was sich anhand der Lautbildschrift nachweisen läßt, lag die Idee wohl nicht fern, diese Matrix auf die Hand zu übertragen.





Die Benutzung der hier beschriebenen Techniken ist frei Stand: 28.9.05 Autor und Erfinder: Leonhard Heinzmann Homepage