Lautbildschrift und Molekül-Grammatik
Stand: 18.03.06 Lautbildschrift
Das optische Grundprinzip der Lautbildschrift-Grammatik wurde bereits erwähnt:
einen Sachverhalt durch ein Arrangement von Bildworten optisch möglichst gut darstellen.
Zur Interpretation mancher Bildsätze reicht dieses optische Prinzip aus.
Zur Darstellung logischer Beziehungen im Satz eignet sich die
Molekül-Grammatik.
Sie hat zunächst nichts mit der Lautbildschrift zu tun.
Doch Mengenangaben, räumliches Enthaltensein, Tätigkeiten etc. lassen sich bei der Lautbildschrift
oft nicht so darstellen, daß sie rein intuitiv verständlich sind. Es sind Grammatikregeln nötig.
Dafür empfiehlt sich das Molekülmodell, weil es einfach und spielerisch,
aber trotzdem sehr exakt ist. Im Folgenden beschreiben wir eine Grammatik, kombiniert
aus optischer und Molekül-Grammatik:
Sukzessiver Aufbau eines Textes
Der Sinn eines Satzes ist bestimmt durch:
1) Die Worte
2) Die räumliche Anordnung der Worte (übereinander, Spalten nebeneinander)
3) Die Bündelung von Worten nach dem Molekülmodell
4) Das semantische Umfeld (Nachbarsätze etc.)
Zu 1) Bei den Worten ist ihre definierte Bedeutung entscheidend, die
natürlich möglichst gut aus dem Bildwort erkennbar sein sollte.
Zu 2) räumliche Anordnung der Worte:
Die Wortstellung ist einmal wichtig für die rein optische Interpretation
eines Bildsatzes. Sodann auch für die logische Bindung von Worten / Wortgruppen
nach dem Molekülmodell (s.u.).
Dabei gehören die Worte einer Spalte enger zusammen als Worte
verschiedener Spalten, genau wie die Spalten eines Satzes enger
zusammengehören als Spalten verschiedener Sätze.
Zu 3) Analog zur Wertigkeit eines Atoms oder Moleküls, die besagt,
wieviele Bindungen mit anderen Atomen oder Molekülen es eingehen kann,
definieren wir die grammatische Bindungsfähigkeit von Worten:
Ein Wort kann das vorangehende und / oder folgende Wort (oder Wortgruppe)
an sich binden in dem Sinn, daß es zusammen mit diesen Worten eine besonders
definierte Bedeutung hat. Beispiele:
- Das Wort "einige" hat den Bindungstyp 1x0:
- Das Wort "sehen" hat den Bindungstyp 1x1:
- Das Wort "Regen" hat den Bindungstyp 1x1 :
- Das Wort "enthalten" hat den Bindungstyp 1x1:
- Das Wort "Schale" hat den Bindungstyp 0x1:
Der Bindungstyp jedes Wortes braucht von Menschen meist nicht auswendig
gelernt werden, da er sich sozusagen aus dem Wortsinn ergibt. Wenn man den Bindungstyp
einiger Wortbeispiele kennt, kann man den Typ anderer Worte leicht erraten.
Für die Textinterpretation per Computer wird der Bindungstyp aber abgespeichert
und ist dann ein wertvolles Hilfsmittel für automatische Übersetzung per Computer,
künstliche Intelligenz u.Ä.
In den europäischen und den meisten anderen Sprachen gilt: Substantive sind vom
Bindungstyp 0x0, Adjektive und Adverbien vom Typ 0x1 (wenn vorangestellt) oder
1x0 (wenn nachgestellt), Verben ohne direktes Objekt vom Typ 1x0, Verben mit
direktem Objekt vom Typ 1x1 (bei Folge Subjekt - Verb - Objekt). Doch anders als in der hier
beschriebenen Grammatik kann nicht jedes Wort Argument für jedes andere Wort
sein: Adjektive können als Ergänzung nur Substantive haben (im Deutschen auch Verben),
Adverbien nur Adjektive oder Verben, Verben nur Substantive. Bei jedem Wort
können also nur Worte des hier am häufigsten vorkommenden Wortklasse als
Argumente auftreten. Soll ein Wort in anderer Funktion genutzt werden, so
müssen Umwandlungspartikel benutzt werden: das Adjektiv "grün" wird durch
das Hilfsverb "sein" zum Verb "grün sein", das Verb "gehen" durch einen Artikel
zum Substantiv "das Gehen", durch Partizip-Bildung zum Adjektiv "gehend", usw.
Fehlende Objekte:
"Haus Regen Wolke" (Schreibrichtung von unten nach oben!) bedeutet
"Aus der Wolke regnet es auf das Haus".
"Haus Regen" könnte man interpretieren als "Es regnet auf das Haus", "Regen Wolke"
als "Aus der Wolke regnet es", "Regen" allein als "Es regnet".
Bei den letzteren Beispielsätzen fehlte das vordere und / oder hintere Bindungsobjekt
des Wortes "Regen" vom Typ 0x0. Das ist bei diesen kurzen einzelnen Sätzen problemlos,
kann jedoch zur Konfusion führen wie im folgenden Beispiel:
"Regen Wolke Sonne" bedeutet "Es regnet aus einer Wolke, über der die Sonne
sichtbar ist". Will man aber nur ausdrücken "Da ist eine Regenwand,
über der die Sonne steht", darf man nicht sagen "Regen Sonne".
Das würde ja bedeuten "Es regnet aus der Sonne": Denn weil
'Regen' den Bindungstyp 1x1 hat, würde die Sonne als zum Regenvorgang
gehörig gelten.
Hier bieten sich 2 Lösungsmöglichkeiten an:
1) Grammatische Lösung: Man fügt vor und nach "Regen" ein Blindobjekt ein
(das u.U. neben oder Satz- oder Spalten-Anfangspartikel fehlen könnte).
2) Semantische Lösung: Man betrachtet Bindungen wie "Regen Sonne",
die etwas in der Realität Unmögliches beschreiben, als nicht existent.
Die grammatische Lösung ist sowohl zur Beschreibung unbekannter
Vorgänge als auch für automatische Übersetzung klarer. (Die reale Welt
ist ja für den Computer größtenteils unbekannt).
Bindung größerer Objekte: In der Mathematik kann der
Operator * entweder 2 einfache Objekte an sich binden, Beispiel 2 * 3,
oder auch zusammengesetzte Objekte, Beispiel (1 + 2) * (3 + 4).
Ähnlich kann ein Wort vom Bindungstyp 1x1 nicht nur 2 einfache
Worte an sich binden (das vorige und das folgende), sondern auch
2 zusammengesetzte Objekte, z.B. die vorige und die folgende Spalte.
Generell gilt:
- Steht ein Wort innerhalb einer Spalte, so bindet es (je nach Bindungstyp)
bis zu zwei benachbarte Worte derselben Spalte an sich.
- (Hier ist eine ähnliche Regel für Wortgruppen innerhalb einer Spalte möglich.)
- Steht ein Wort allein in einer Spalte, so bindet es (je nach Bindungstyp)
bis zu zwei benachbarte Spalten desselben Satzes an sich.
- Steht ein Wort allein in einem Satz, so bindet es (je nach Bindungstyp)
bis zu zwei benachbarte Sätze an sich.
Beispiel: Das Wort "Fragepartikel" (Bindungstyp 1x0) macht,
als einzelner Satz, aus dem nächsten Satz (oder auch den nächsten Sätzen)
eine Frage. Doch steht es in einem Satz, aber allein in einer Spalte,
so fragt es nur, ob die folgende Spalte zutrifft. Steht es in einer
Spalte vor einem Wort, so fragt es nur, ob das nächste Wort (z.B. "blau")
zutrifft.
Einzelne Grammatik-Elemente
Mengenangaben:
erfolgen durch nachgestellte Wörter "einige", "wenige", sowie nachgestellte Ziffern
0 bis 3 und nachgestellte Zahlen, alle vom Bindungstyp 1x0. Der Aufbau von Zahlen
aus Ziffern folgt speziellen mathematischen Regeln (Stellenwertsystem, Bruch, Exponent).
Die Ziffer 0 ersetzt das nicht vorhandene Wort "kein". Auch gilt: "einige einige"
= "viele", "einige einige einige" = "sehr viele".
Möglich ist auch die Pluralangabe durch Wortwiederholung, was länger ist,
aber bildhafter: "Haus Haus" = "Häuser", "Haus Haus Haus" = "viele Häuser".
Ein Wort ohne folgende Mengenangabe bedeutet meist die Einzahl, kann aber
auch als unbestimmte Mengenangabe oder allgemeiner Fall aufgefaßt werden:
"Nuß essen Maus" kann bedeuten "Die Maus ißt eine Nuß", "Die Maus ißt Nüsse"
oder "Mäuse essen Nüsse" (Objekt hier vorgestellt, weil Bildwort "Nuß"
unter Bildwort "essen", dieses unter Bildwort "Kopf" stehen sollte).
Steigerung, Abschwächung
erfolgt durch nachgestellte Worte "intensiv" - "geringfügig", "mehr" - "weniger",
"meist" - "wenigst", alle vom Bindungstyp 1x0. Beispiele:
"grün intensiv" bedeutet "intensiv grün", "denken intensiv" bedeutet
"intensiv denken". "Hell mehr" bedeutet "heller", "hell weniger" bedeutet
"weniger hell".
Hier zeigt sich wieder, daß die Lautbild-Grammatik nicht die üblichen Wortarten kennt:
Das Lautbild-Wort für "intensiv" z.B. kann man mit "sehr", "intensiv", "intensiv sein"
übersetzen, also mit Adverb, Adjektiv oder Verb.
Zeiten, Zeitfolge
Die Angabe von absoluten Zeiten erfolgt durch Voranstellen der Wörter
"vergangen", "zukünftig" als eigener Satz vor einen Satz oder eine
ganze Satzfolge / Erzählung, oder durch Voranstellen dieser Wörter
als erste Spalte eines Satzes. (Innerhalb eines Satzes beziehen sich
diese Wörter auf ein Wort, eine Wortgruppe oder Spalte).
Absolute Zeitangabe ist auch möglich durch Angabe von Uhrzeit, Datum,
Ereignissen etc.
Die Angabe von Zeitfolgen erfolgt durch Voranstellen der Wörter
"vorherig", "später".
Bei einer fortlaufenden Handlung wird die Zeitfolge normalerweise
nicht explizit angegeben, und die absolute Zeit nur einmal, am Anfang.
Präpositionen
Präpositionen sind oft verzichtbar: räumliche Beziehungen wie "unter",
"über", "auf", "neben", teilweise auch "in", werden durch eine entsprechende
Wortstellung verdeutlicht.
Ansonsten werden Präpositionen durch "Verben" ersetzt:
Statt "Mensch in Haus" sagt man "Haus enthalten Mensch".
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In den Artikeln über die Lautbild-Grammatik und die Molekül-Gramatik sind viele
mögliche Detail-Lösungen beschrieben.
Einfachheit obiger Grammatik
Sowohl die optische Lautbild-Grammatik als auch die logisch-abstrakte Molekül-Grammatik sind relativ einfach und natürlich, wenn auch ihre Kombination etwas aufwendiger ist. Einfach sind sie auch deshalb, weil sie viele Elemente nicht haben, die in den meisten europäischen Sprachen vorkommen:
- keine Wortänderungen (Deklination, Konjugation, Komparativ)
Sie würden ja die Bildworte optisch verhunzen.
- keine Wortklassen Substantiv, Verb, Adjektiv, Adverb, Präposition
Natürlich bedeuten manche Worte / Ideogramme eher eine Tätigkeit,
andere eher eine Eigenschaft oder ein Objekt. Aber für den grammatischen
Aufbau ist nur der Bindungstyp jedes Wortes wichtig.
- keinen Artikel
- kein Hilfsverb "sein"
- kein Passiv (weil überflüssig):
"Mann sehen Frau" kann übersetzt werden "Der Mann sieht die Frau"
oder "Die Frau wird vom Mann gesehen": beide Formulierungen
bedeuten dasselbe.
Allgemeine Verwendbarkeit obiger Grammatik
Die skizzierte Grammatik ist unabhängig von der speziellen
Realisierung einer Lautbildschrift. Sie kann genauso verwendet werden
für die Einfachst-Lautbildschrift mit nur 12 Buchstaben wie für eine
Lautbildschrift mit 16, 20 oder mehr Buchstaben, und auch für eine
Silben-Lautbildschrift. (Letztere hat den Vorteil, daß für fast alle
häufigen Worte wie Konjunktionen, Positionsangaben (z.B. "in"),
Mengenbegriffe u.Ä. als Ideogramme einzelne Zeichen zur Verfügung
stehen, die das Bild optisch nicht belasten.)
Obige Grammatik kann man sogar für eine künstliche Sprache verwenden,
die keine Lautbild-Sprache ist, und die auch nicht zweidimensional
(Satz hat mehrere Spalten) geschrieben wird. Ja, sie ist vermutlich
auch für solche künstliche Sprachen optimal. Man muß nur die nicht
geschriebenen Satz- und Spaltenanfangspartikel durch geschriebene
Wörter ersetzen. Man kann die hier beschriebene Grammatik sogar mit
dem Wortschatz natürlicher Sprachen verwenden, was den Vorteil hat,
daß sie jeder in seiner Muttersprache üben kann!