Weshalb ein Vatergott nie die höchste Instanz sein kann
- Eine Mutter formt das Kind aus ihrer eigenen Substanz (die sie aber anderswoher hat)
- Ein Vater formt das Kind quasi aus einer fremden Substanz, durch seinen Teil der Erbinformation
Ein Gott, der die Welt erschafft, müßte sie aber quasi aus seiner eigenen Substanz / Seele
formen (alle Vergleiche sind etwas mangelhaft)), sozusagen aus seiner Psyche den Geist und Körper
der Welt und der Geschöpfe darin erschaffen. Dann wäre er aber Vater und Mutter, weil er
die gesamte 'Erbinformation' mitgibt; Mutter besonders deshalb, weil er auch die Substanz,
aus der gebildet wird, zur Verfügung stellt.
Zwar hat nach der christlichen Lehre nicht unbedingt der Vater, sondern allgemein 'Gott' die Welt erschaffen.
Die Vorstellung vom Vater als Schöpfer hängt jedoch irgendwie im Raum, siehe auch das
Zitat des Kirchenlehrers Augustinus: "Der Vater hat von Ewigkeit her nur ein Wort gesprochen,
und das ist der Sohn. Durch ihn hat er die Welt erschaffen."
Die Gleichsetzung "Schöpfer = Vater" ist m.E. auch deshalb etwas unglücklich und verbaut
auch Christen den näheren Zugang zur christlichen Religion, weil sie 'Gott' zu sehr
mit menschlichen Eigenschaften belastet, wie den im Alten Testament geschilderten Zorn-
und Rachegefühlen (die Gott aber laut katholischem Katechismus nicht haben kann).
Die Gleichsetzung "Gott = Vater" beruht wohl teilweise auf der autoritär-patriarchalischen Denkweise
jenes Kulturkreises, teilweise vielleicht darauf, daß die Formulierer der Religion
dem einfachen Volk keine weniger menschenähnliche Gottesvorstellung zutrauten oder geben wollten
(damit sie selbst weiterhin als Gottes Vertreter gelten konnten), wohl auch darauf,
daß die Sprache nicht die nötigen Begriffe hatte, solche Vorstellungen auszudrücken.
Generell ist die Gleichsetzung göttlicher mit menschlicher Elternschaft von vornherein mangelhaft.
Denn nachdem Eltern ein Kind erzeugt haben, ist es außerhalb von ihnen. Alle Geschöpfe
des Universums sind jedoch weiterhin in ihm und Teil von ihm. Da 'Gott' noch über dem
räumlich-zeitlichen Universum steht bzw. es umfaßt, müßte auch 'Gott' seine Geschöpfe
nach der Erschaffung noch umfassen (vgl. das Bibelzitat "Gott ist in euch und ihr in ihm",
was der Idee vom Vatergott widerspricht - in der Bibel findet sich halt auch Widersprüchliches).
Vielleicht könnte man sagen: Alles wird erschaffen aus einer Urpsyche, einem geistigen Urgrund,
dem Brahman des Hinduismus, dem Nirvana des Buddhismus, dem im Christentum am ehesten der heilige Geist
entspricht (siehe Artikel Nirvana - ein anders Wort für Heiliger Geist)
Der Erbinformation, d.h. dem Formenden, entsprechen wohl am ehesten die platonischen Archetypen, die es
in ähnlicher Form auch im Buddhismus gibt, als zeitlose und teilweise auch formunabhängige, ewige Bereiche.
In der Edda gilt ein "wunderbarer Sprudel" namens Zwergelmir am Fuß des Weltenbaums als Quell der Schöpfung,
er wäre hier das Formende.
Man könnte die Erbinformation aber auch gleichsetzen mit einer sanften, wellenartigen Bewegung
innerhalb des Nirvana, aus der sich dann durch Überlagern von Wellen und allmähliches Aufschaukeln
auch grobere Strukturen ergeben. (Die Vorstellung eines bewegten geistigen Urgrunds ist besonders
in der chinesischen Lehre vom Tao vorhanden)
Es ist zwar meiner Ansicht nach durchaus richtig, den erschaffenden geistigen Urgrund und das Formende
darin nicht als maschinenhaft-unbeseelt wirkend zu sehen, sondern mit Willen, Verstand, Geist und Liebe -
wie könnten die Geschöpfe von etwas Unbeseeltem beseelt sein? Doch die anthropomorphe Vorstellung
Gottes hat viele Mängel und tendiert dazu, immer personeller, um nicht zu sagen ungeistiger, zu werden
- ähnlich wie die abstrakte Vorstellung des geistigen Urgrunds dazu tendiert, zu wissenschaftlich
und gefühlsleer zu werden.
Von dem in religiöser Hinsicht Höchsten, Gott oder Nirvana oder wie auch immer,
muß man unterscheiden die untergeordneten geistigen Wesen, die es in jeder Religion gibt.
Autor: Leonhard Heinzmann Homepage Stand: 1.7.06